Steigende Mieten, starke Zuzüge: Die Probleme auf dem Mietmarkt in vielen deutschen Großstädten sind strukturell. Die Lösungen sind es auch, sagt Marcel Fratzscher vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung.

Steigende Mieten in Ballungsräumen sind seit Jahren ein strukturelles Problem für viele Mieterinnen und Mieter dort. Die Preise haben sich von der Entwicklung der Einkommen vielerorts entkoppelt. Das zeigt sich im zeitlichen Verlauf an der Entwicklung der Mietbelastungsquote. Nachdem das Bundesverfassungsgericht den Mietendeckel in Berlin gekippt hat, haben viele Menschen in der Hauptstadt für ein stärkeres politisches Eingreifen auf dem Mietmarkt demonstriert.

Starke Zuzüge in vielen Großstädten in Deutschland verschärften diese angespannte Situation noch, sagt der Makroökonom Marcel Fratzscher. Die Politik müsse handeln und vermeiden, dass es zu einer sozialen Explosion kommt. Für viele Menschen, gerade mit geringerem Einkommen, werde das Leben in der Stadt immer unerschwinglicher. Er sagt: "Die Bundesregierung hat sich bisher geweigert, dieses Thema ernsthafter zu adressieren."

"Nicht wenige in den großen Städten geben ein Drittel ihres Einkommens für die Wohnung aus – Tendenz stark steigend."
Marcel Fratzscher, Makroökonom, leitet das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung
Marcel Fratzscher, Ökonom, Deutsches Institut der Wirtschaftsforschung, Aufnahme von 2018
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Marcel Fratzscher, Ökonom, Deutsches Institut der Wirtschaftsforschung, Aufnahme von 2018

Marcel Fratzscher ist Makroökonom, die Disziplin ist Teil der Volkswirtschaftslehre. Er leitet das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung. Es wird zu gleichen Teilen vom Bund und vom Land Berlin finanziert. Die langfristige Lösung sei, mehr Angebot zu schaffen, mehr Wohnungen zu bauen, sagt er.

Zum Bauen brauche es aber Zeit, Marcel Fratzscher nennt einen Zeitraum von drei bis sechs Jahren. Dem Trend zum Bau von Luxuswohnungen lasse sich mit städtischen Vorschriften und Bebauungsplänen gut begegnen, sagt der Ökonom. An klugen Konzepten zur Mischnutzung unter Bereitstellung von Flächen für Einzelhandel und soziales Wohnen bestehe kein Mangel.

Das Kernproblem in den Städten sei eher, überhaupt mehr Baufläche auszuweisen. Marcel Fratzscher verweist auf einen grundlegenden innerstädtischen Konflikt. Kaum jemand wolle ein großes Bauprojekt in der unmittelbaren Nachbarschaft.

"Die Menschen, die da sind, denen es gut geht, haben wenig Interesse daran, dass sich etwas ändert."
Marcel Fratzscher, Makroökonom, leitet das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung

In dem nun gekippten Mietendeckel sieht Marcel Fratzscher kein gutes Instrument. Eine Analyse seines Instituts hat ergeben, dass zwar die Preise sinken, aber das Angebot stark zurückgeht. Langfristig sei das also keine Lösung. Der Mietendeckel schaffe eben keine neuen Wohnungen.

Mieten als Wahlkampfthema

Die Mietpreisbremse hingegen, die es seit einigen Jahren in Berlin gibt, die habe recht gut funktioniert. Mit diesem politischen Instrument werden der Mietpreis und die Mietpreissteigerung an die Mietpreise im gleichen Wohnquartier gekoppelt.

Die Mieten und ihre Entwicklung könnte ein wichtiges Thema im Wahlkampf 2021 werden. Aus Marcel Fratzschers Sicht braucht es eine Kombination aus kurz und mittelfristigen Elementen – wie beispielsweise einer Mietpreisbremse – und langfristiger Freigabe von städtischem Bauland und einer Verdichtung, indem es beispielsweise gestattet wird, höher zu bauen auch innerstädtisch.

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Shownotes
Marcel Fratzscher zum Mietmarkt
"Vermeiden, dass es zu einer sozialen Explosion kommt"
vom 16. April 2021
Moderator: 
Ralph Günther
Gesprächspartner: 
Marcel Fratzscher, Makroökonom, leitet das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung