Die Pandemie verändert nicht nur unseren Alltag, sie hat auch einen großen Einfluss auf unseren Schlaf. Leider bedeutet das für viele Menschen: mehr Albträume. Das ist aber nicht nur negativ. Durch Träume können wir lernen, unseren Stress zu reduzieren – aber nur, wenn wir uns mit ihnen auseinandersetzen.

Die Pandemie ist für viele geprägt von Ungewissheit, Verlustangst und Einschränkungen. Das stresst nicht nur die Psyche, sondern auch den Körper und wirkt sich auch auf unseren Schlaf aus. Viele Menschen berichten unter anderem unter dem Hashtag #CoronaDreams davon, dass sie seit der Pandemie intensiver und negativer träumen.

Pandemie macht vor Träumen nicht Halt

Die Ängste, die uns tagsüber begleiten, verarbeiten wir auch in der Nacht. Michael Schredl ist Schlafforscher am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim. Er konnte eine Zunahme negativer Träume in der Pandemie feststellen. Dabei lassen sie sich vor allen in drei Arten von Träumen einteilen:

  • Träume, in denen die Einschränkungen der Pandemie-Maßnahmen eine Rolle spielen, etwa dass wir in einem Raum voller Menschen unseren Mund-Nase-Schutz vergessen haben.
  • Träume, in denen wir uns um nahestehende Personen ängstigen, die am Virus erkranken oder versterben.
  • Metaphorische Träume, beispielsweise, dass wir in einer Kiste eingesperrt sind und uns nicht frei bewegen können.

Der Experte sagt auch: Vor allem Menschen, die tagsüber die Situation sehr schwer nehmen, werden in der Nacht von negativen Träumen heimgesucht. Wichtig ist: Diese Träume sind Signale, die wir beachten sollten.

"Träume greifen den Stress auf, den wir tagsüber empfinden. Sie geben uns Hinweise darauf, was uns besonders stresst und mit was wir uns auseinandersetzen sollten."
Michael Schredl, Schlafforscher am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim

Denn das was uns im Traum stresst und Angst auslöst, kann Hinweise darauf geben, was uns tagsüber beschäftigt. Deshalb ist es laut Michael Schredl wichtig, dem Traum eine Alternative entgegen zu setzen und die Traumsituation im Wachzustand aufzulösen. So lernen wir aus einer stressigen Situation herauszukommen – auch wenn wir sie nur geträumt haben.

"Träume sind ein Übungsfeld: Wie gehe ich mit schwierigen Situationen um? Wer die Situationen auflöst, kann auch seinen Wachstress reduzieren."
Michael Schredl, Schlafforscher am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim

Albträume können uns also sogar helfen unseren Stress zu reduzieren, wenn wir sie nicht so stehen lassen wie sie waren. Dafür ist es wichtig, nach dem Aufwachen Notizen über das Geträumte festzuhalten. Nur so können wir uns an den Inhalt erinnern und die Situation neu inszenieren.

Mehr Schlaf, mehr Zeit für Träume

Die Pandemie bringt zwar einerseits mehr Stress mit sich – andererseits haben wir auch mehr Zeit zu schlafen, wenn der Weg ins Büro wegfällt oder Abendaktivitäten wie feiern oder ins Kino zu gehen. Mehr Zeit zu schlafen, das bedeutet auch, mehr Zeit zu träumen. Auch daran liegt es, dass wir seit Beginn der Pandemie mehr träumen.

Die Schlafforscherin Christine Blume erklärt, dass wir mehr REM-Phasen (Rapid-Eye-Movement-Phase) erleben. Das sind die Phasen, in denen wir viel und bizarr träumen. In REM-Phasen können wir auch öfter aufwachen, weshalb uns diese Träume besonders in Erinnerung bleiben.

Christine Blume, Schlafforscherin am Zentrum für Chronobiologie der Universität Basel / Beitrag von Deutschlandfunk-Nova-Reporter Timo Nicolas:
"Der belastende Charakter von Albträumen besteht im Gefühl des Ausgeliefertseins."

Das hilft gegen Albträume:

  • Wie so oft, sind es vor allem Bewegung und Entspannung, die Albträumen vorbeugen: tagsüber regelmäßig Sport, Meditation und Yoga zu betreiben, kann uns in der Nacht einen besseren Schlaf bereiten.
  • Besonders kurz vor dem Schlafengehen sollten wir für Entspannung sorgen und Stressfaktoren wie Social Media und Nachrichten vermeiden. Eine Stunde vor dem Schlafengehen also das Smartphone lieber ganz ausschalten.
  • Statt sich also Laptop oder Smartphone zu schnappen, sollten wir zu Stift und Papier greifen, um Gedanken, die uns im Kopf umher spuken niederzuschreiben – und so schon vor dem Schlafen damit abschließen zu können und sie gar nicht nicht erst mit in den Schlaf zu nehmen.
  • Auch am Morgen können wir zum Stift greifen: Ein Traumtagebuch kann dabei helfen, sich an die Träume zu erinnern und die schwierigen oder belastenden Situationen darin aufzulösen. Wenn wir etwa träumen, dass uns jemand verfolgt, könnten wir uns vorstellen die Person anzusprechen und nach dem Grund zu fragen, statt in Panik davonzulaufen.
  • Wer allerdings über einen längeren Zeitraum mehrmals in der Woche unter Albträumen leidet, sollte eine Ärztin oder einen Arzt aufsuchen und sich professionell unterstützen lassen.

Übrigens...

..die Wissenschaft weiß nicht genau, warum unsere Träume so oft wirr und bizarr sind. Ein Wissenschaftler der Tufts-Universität in den USA hat aber eine interssante Parallele aufgezeigt: Künstliche Intelligenz geht davon aus, dass das, womit sie gefüttert wird, die ganze Welt ist. Deshalb streuen die Programmierer immer mal wieder etwas Chaos ein, nicht passende Teile. Die These: Die gleiche Funktion könnten unsere Träume für uns übernehmen. Die chaotischen Darstellungen der Welt könnten dabei helfen, die Realität an sich besser zu verstehen.

    Shownotes
    Schlafforschung
    Pandemie sorgt für mehr Albträume
    vom 29. Dezember 2021
    Moderator: 
    Paulus Müller
    Gesprächspartner: 
    Michael Schredl, Schlafforscher am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim