Wie viel haben die Angestellten im Konzentrationslager Auschwitz von den Verbrechen dort mitbekommen? Diese Frage spielt in Prozessen immer eine wichtige Rolle. Ein digitales 3D-Modell soll bei den Ermittlungen helfen.

Ein Modell ist schon dieses Jahr zum Einsatz gekommen, als ein ehemaliger SS-Wachmann wegen Beihilfe zum Mord an 170.000 Menschen zu fünf Jahren Haft verurteilt wurde. Jens Rommel von der Zentralen Stelle zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen geht davon aus, dass eine zweistellige Zahl von weiteren Verdächtigen noch am Leben ist und vor Gericht kommen könnte.

"Früher sagten die Leute oft, sie hätten in Auschwitz Dienst getan, aber wüssten nicht, was passiert ist. Juristisch geht es um den Vorsatz: Musste ein Verdächtiger wissen, dass die Leute in die Gaskammern gebracht oder erschossen wurden?"
Jens Rommel, Leiter der Zentralen Stelle zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen

Mit einer Virtual-Reality-Brille können Staatsanwälte und Richter in das Modell reinzoomen und genau nachvollziehen, was etwa ein Wachmann von einem Turm aus sehen konnte, sagt Ralf Breker vom bayerischen Landeskriminalamt, der das 3D-Modell von Auschwitz entwickelt hat. Dafür hat er Daten aus dem Warschauer Vermessungsamt, mehr als tausend Fotos und das Ergebnis eines Laserscans genutzt. Die Betrachter können kleinste Details erkennen; alle Gebäude wurden exakt rekonstruiert, sogar die Bäume - schließlich hätten sie die Sicht verdecken können.

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Ralf Breker mit seinem 3D-Modell und einer Virtual-Reality-Brille

Breker ist ein erfahrener Mordermittler. Trotzdem sagt er, dass ihn die Erzählungen des polnischen Archiv-Leiters schockiert haben, etwa als es darum ging, dass die Schornsteine der Auschwitz-Krematorien wegen der intensiven Nutzung Risse bekamen und die Leichen dann außerhalb verbrannt wurden. Dabei hatten die SS-Leute Rinnen konstruiert, um das Fett der verbrannten Leichen aufzufangen und es für die nächsten Verbrennungen zu verwenden. "Da findet man gar keine Worte dafür", sagt Breker.

Auschwitz-Birkenau war das größte Vernichtungslager der Nazis. Insgesamt starben dort mehr als 1,1 Millionen Menschen.