Alltag im GepäckWie kommen wir im Urlaub wirklich runter?

Essi kann im Urlaub nicht richtig abschalten. Obendrein hat sie dann auch noch ein schlechtes Gewissen. Eine Psychologin kennt Wege, mit denen wir unsere Gedanken ein bisschen zur Ruhe bringen – vor und in den Ferien.

Ihr seid endlich im Urlaub. Es ist tolles Wetter, ihr habt keine Termine, keine Verpflichtungen. Aber dann... könnt ihr einfach nicht entspannen.

So geht es Essi. Sie plant total gerne ihre Urlaube. Wie für die meisten von uns ist das für sie ein Entkommen vom stressigen Alltag und sie freut sich schon lange darauf. Aber wenn sie dann angekommen ist, wird es oft schwierig. Dann kann sie manchmal gar nicht genießen, dass sie jetzt endlich im Urlaub ist.

"Bei mir äußert sich das darin, dass ich in den ersten Tagen einfach so eine totale innere Unruhe habe. Und das ist nicht nur psychisch, sondern eben auch auf physischer Ebene, dass ich Herzrasen bekomme."
Essi, kann im Urlaub nicht richtig entspannen

Es fällt ihr dann schwer, sich von dem zu lösen, was vor dem Urlaub alles los war: "Oftmals ist es bei mir dann so gewesen, dass ich aus superstressigen Klausurenphasen rausgekommen bin oder aus Praktika im Krankenhaus zum Beispiel. Und dass ich mental noch da bin und gar nicht richtig im Hier und Jetzt", sagt sie.

Wenn Essi verreist, kann sie sich zunächst nicht entspannen. Manchmal hat sie sogar Herzrasen und ein schlechtes Gewissen.

Dem Gedankenkreisen folge dann oft noch ein schlechtes Gewissen. Und das belaste sie am allermeisten. Essi hat das alles in einem Instagram-Post veröffentlicht – und bekam dafür Aufmerksamkeit von anderen, denen es ähnlich geht.

"Das schlechte Gewissen ist sogar das, was mich am allermeisten belastet."
Essi, kann im Urlaub nicht richtig entspannen

Irgendwann setzt bei ihr dann aber doch ein Gefühl von Entspannung ein, sagt Essi. Das brauche allerdings seine Zeit. Oft komme es erst nach ungefähr einer Woche. "Dann bin ich aber ja meistens auch nur noch fünf Tage da. Und danach bin ich schon wieder weg. Also das ist eigentlich viel zu kurz, um sich wirklich nachhaltig zu erholen", sagt sie.

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Essi ist mit ihrem Problem nicht alleine. Das belegen auch Zahlen aus dem Urlaubsreport 2024. Die Krankenkasse DAK hatte ihn in Auftrag gegeben. Rund die Hälfte der Befragten gab an, sie konnten sich im letzten Sommerurlaub nicht vollständig erholen. Arno Prähler, Sprecher bei der DAK, sagt, das Problem trifft vor allem die Unter-45-Jährigen. Da behaupten mehr Menschen, dass sie sich nach ihrem Urlaub nicht vollständig erholt fühlten.

Arno Pähler vermutet, dass sich die Unter-45-Jährigen weniger gut erholen, weil sie generell in einer Lebensphase stecken, in der viel passiert, es also tendenziell stressiger ist: Ausbildung, Studium, Einstieg in den Beruf und Familienplanung.

Viele brauchen Sonne und Natur für ihre Erholung

Beim Urlaubsreport wurde auch danach gefragt, was die Menschen brauchen, um sich gut zu erholen. "Auf jeden Fall ist genannt worden, dass die Sonne und die Natur zur Erholung beitragen. Das sind 84 Prozent der Befragten, die das gesagt haben. Zeit mit der Familie sind immerhin noch 74 Prozent", sagt Arno Prähler zu den Ergebnissen. Einen Ortswechsel, also dem Alltag entfliehen und bewusst von zu Hause weg sein, finden 73 Prozent der Befragten wichtig.

Essi hat für sich verschiedene Strategien gefunden, um mit der Angespanntheit im Urlaub umzugehen:

  1. Darüber reden: "Dass ich dann mit der Person, mit der ich dann im Urlaub bin, darüber spreche, dass ich einfach so ein bisschen erzählen kann, wie es mir geht, wie ich mich fühle. Und ich habe auch das Glück, eine ganz tolle Familie und Freunde zu haben, die da immer sehr verständnisvoll darauf reagieren", sagt sie.
  2. Tagebuch schreiben – alles einfach runterschreiben, was ihr durch den Kopf geht.
  3. Aktivitäten nur in Maßen: Vor allem tut es ihr gut, in der Natur zu sein, erzählt sie.
"Aktivitäten, aber in Maßen. Also dass ich mich nicht zuballer mit Skifahren, Rodeln, Wandern – alles, was man da eben so machen kann."
Essi über Strategien, wie sie im Urlaub vom Alltagsstress runterkommt

Romana Dreyer ist Arbeits- und Organisationspsychologin an der Uni Hamburg. Sie hat Erklärungen dafür, warum es uns schwerfällt, den Alltag im Urlaub hinter uns zu lassen. Verantwortlich seien verschiedene Faktoren. Zum Beispiel sei es Typsache: Wenn wir im Alltag etwa dazu neigen, gestresst zu sein oder alles immer ganz perfekt zu machen, dann nehmen wir das natürlich auch mit in den Urlaub.

"Wenn man im Alltag wahnsinnig viel gestresst ist oder zu Stress neigt oder eher so ein Perfektionisten-Denken an den Tag legt, dann ist es schwer, das im Urlaub einfach mal eben abzulegen."
Romana Dreyer, Arbeits- und Organisationspsychologin an der Uni Hamburg

Auch der Urlaub an sich könne in Stress ausarten, wenn wir zu hohe Ansprüche an die freie Zeit stellen. Wenn wir etwa denken, dass in den zwei oder drei Wochen alles perfekt sein muss. Oder wenn wir uns Freizeitstress aufhalsen, weil wir glauben, alle Sehenswürdigkeiten einer Region besuchen zu müssen.

Vorher Gedanken machen

Die Psychologin rät, sich vorher Gedanken darüber zu machen, wie es uns gerade geht und welche Bedürfnisse wir haben: "Was weiß ich auch aus vergangenen Urlauben darüber, was ich brauche? Ist es eher ein Ruhebedürfnis? Will ich einfach nur ein paar Tage mal nichts tun und einfach die Zeit zerfließen lassen und spontan sein können? Oder möchte ich irgendwas Neues lernen, eine neue Sportart, mich körperlich verausgaben?", so Romana Dreyer.

"In der Regel haben unsere Grübelgedanken irgendwie so einen Kern, der uns eigentlich was Gutes will."
Romana Dreyer, Arbeits- und Organisationspsychologin an der Uni Hamburg

Romana Dreyer empfiehlt auch, in der Zeit vor dem Urlaub noch Dinge im Job zu regeln: Was muss vorher noch dringend erledigt werden und was können wir uns auf eine To-Do-Liste für die Zeit nach der Auszeit schreiben? "Dass ich das schon mal gedanklich so ein bisschen vorsortiere. Das hilft in der Regel wenn wir es wirklich aufschreiben und vielleicht dann auch noch mit einem Satz versehen", sagt sie. Dann können wir es nämlich gedanklich abhaken und das kann entlastend wirken.

Weitere Tipps von der Psychologin

  • Schon eins, zwei Tage, bevor man wirklich abreist, Urlaub nehmen. Damit können wir eine Übergangsphase schaffen, um besser runterzukommen, zu packen und die letzten Dinge in Ruhe vorzubereiten.
  • Wenn im Urlaub das große Grübeln startet, kann es helfen, sich mal ganz bewußt eine Stunde zu nehmen, um den Gedanken Aufmerksamkeit zu schenken. Um sie vielleicht aufzuschreiben und zu schauen, was genau uns da gerade beschäftigt. Eine andere Strategie kann Ablenkung sein: Sport, Aktivitäten – so dass wir einfach gar keine Zeit haben, über anderes nachzudenken.
  • Es gibt Studien, die zeigen: Acht bis zehn Tage Urlaub können eine ziemlich gute Erholung bringen – ohne dass der Stress nach dem Urlaub zu stark durchschlägt.
  • Am Strand liegen und ein gutes Buch lesen ist (für die allermeisten) erholsam. Andere Studien zeigen, dass auch körperliche Aktivität sehr gut ist für unsere Erholung: einerseits, weil dann weniger Störgedanken auftreten können – aber auch, weil wir dann körperlich ermüden und dabei Stresshormone abgebaut werden.