Biologie des AlternsVon Affen übers Leben lernen

Je älter wir werden, desto klarer wird, dass Alterung uns betrifft. Was können wir in Bezug auf das Altern von unseren Artverwandten, den Affen, lernen? Ein Vortrag der Primaten- und Kognitionsforscherin Julia Fischer.

Nicht nur individuell ist Altern ein Thema, auch gesamtgesellschaftlich: Die Menschheit weltweit wird anteilig immer älter, erinnert Julia Fischer zu Beginn ihres Votrags, und das hat Folgen und erzeugt daher auch Forschungsbedarf.

"Ungefähr in zehn Jahren werden wir mehr Personen auf dem Erdball haben, die über 65 Jahre alt sind, als solche, die zwischen 15 und 24 Jahre alt sind."
Julia Fischer, Primatenforscherin und Kognitionswissenschaftlerin

Neben Fragen zu Arbeit oder Gesundheitsversorgung etwa geht es dabei auch um unser Wohlbefinden in der gesamten Lebensspanne, um unsere Zufriedenheit. Und dazu kann die Primatenforschung etwas beitragen, glaubt die Kognitionswissenschaftlerin.

Eine Theorie der Selektivität

In ihrer Forschung interessieren sie vor allem das kognitive Altern und Veränderungen des sozialen Netzwerkes. Bei Menschen nehmen etwa die Sozialkontakte im Alter ab. Warum das so ist, dazu gibt es verschiedene Theorien. Die dominante derzeit: die Sozio-emotionale Selektivitätstheorie (SST).

"Einsicht in die begrenzte Zukunftsperspektive, das ist gewissermaßen der Motor hinter dieser zunehmenden Selektivität."
Julia Fischer, Primatenforscherin und Kognitionswissenschaftlerin

Im Kern sagt diese Theorie, dass wir unsere Präferenzen verändern, weil wir um unsere begrenzte Lebenszeit wissen: "Je klarer uns das wird, desto wertvoller wird die noch verbleibende Zeit und desto mehr verändern wir, was wir machen und wen wir noch sehen wollen", erklärt Julia Fischer die These.

Ohne Bewusstsein für Lebenszeit?

Stimmt das? An Affen lässt sich das gut testen. Denn: Nach allem, was wir wissen, ist ihnen nicht bewusst, dass sie mal sterben werden. Ziehen sie sich trotzdem auch zurück? Wie verändern sie sich im Alter? Meiden sie etwa Risiken?

"Affen sind wertvolle Modelle für die Untersuchung des Alterns, weil wir gewisse Ähnlichkeiten haben, was Physiologie und Lebensverlauf angeht – aber auch wichtige Unterschiede: keine Einsicht in die Sterblichkeit und keine kulturelle Überformung."
Julia Fischer, Primatenforscherin und Kognitionswissenschaftlerin

In ihrem Vortrag stellt Julia Fischer Studien zu Sozialität, sozialem Interesse, Exploration neuer Objekte und Risikobereitschaft vor, die mit Berberaffen durchgeführt wurden. Die zentrale Frage dabei: "Was finden wir bei den nichtmenschlichen Primaten und was sagt uns das über die Theorien, die für den Menschen entwickelt worden sind?". Diese Frage bezieht sich insbesondere auf die Rolle unseres Bewusstseins für eine begrenzte Lebensspanne.

"Alte Tiere sind weniger sozial aktiv und haben weniger Sozialpartner. Und jetzt ist die Frage: Warum?"
Julia Fischer, Primatenforscherin und Kognitionswissenschaftlerin

Tatsächlich lassen sich Parallelen zwischen Affe und Mensch zeigen. Die Primatenforscherin schließt daraus unter anderem: "Motivationsänderungen mit dem Alter haben tiefe biologische Wurzeln." Sie schlussfolgert daraus, Dinge nicht unnötig aufzuschieben.

"Schieben sie die Dinge nicht auf die lange Bank. Das funktioniert nicht!"
Julia Fischer, Primatenforscherin und Kognitionswissenschaftlerin

Julia Fischer leitet die Abteilung Kognitive Ethologie am Deutschen Primatenzentrum und ist Professorin für Primatenkognition an der Universität Göttingen. Ihr Forschungsinteresse gilt dem Sozialverhalten, der Kommunikation und der Kognition nichtmenschlicher Primaten.

Im Jahr 2025 hat sie die Johannes Gutenberg-Stiftungsprofessur an der Universität Mainz übernommen. In diesem Rahmen hielt sie eine Studium-Generale-Vorlesungsreihe mit dem Titel "Der Mensch im Spiegel des Affen – Zur Evolution von Sozialverhalten, Kommunikation und Intelligenz bei Primaten". Ihr Vortrag "Kommunikation – Wie Affen kommunizieren und was uns das über den Sprachursprung verrät" wurde am 20. Mai 2025 aufgezeichnet.