Entscheidungen treffenWarum überfordert uns zu viel Auswahl?

Die 23, 42 oder doch die 76 – welches Gericht nehme ich denn nun? Das fragt sich Isa oft, wenn sie essen geht. Eine Neurowissenschaftlerin hat erforscht, welche Prozesse im Hirn bei Entscheidungen ablaufen. Eine Trainerin gibt Entscheidungstipps.

Isa tut sich sehr schwer mit Entscheidungen. Beispielsweise im Restaurant. Vor allem dann, wenn die Auswahl sehr groß ist. Oft bittet sie die Bedienung noch um ein paar Minuten Bedenkzeit, wenn diese an den Tisch kommt, um die Bestellung aufzunehmen.

Manchmal hat sich Isa bereits entschieden und entscheidet sich dann noch einmal blitzschnell um, wenn die Kellnerin oder der Kellner an ihrem Tisch steht.

"Wenn man eine Entscheidung trifft, möchte man, dass das, was am Ende dabei rauskommt, auch gut ist."
Isa, tut sich in verschiedenen Bereichen schwer, Entscheidungen zu treffen

Obwohl Isa Präferenzen hat, die ihr die Entscheidung eigentlich erleichtern müssten, braucht sie trotzdem immer etwas Zeit, um ihre Wahl zu treffen. Sie bereitet sich zum Beispiel zu Hause oft Gerichte mit Erdnusssoße zu, sodass sie dann im Restaurant lieber auf diese Option verzichtet.

Nur ein Menü im Restaurant? Super.

Am leichtesten fällt es Isa, Entscheidungen zu treffen, wenn die Auswahlmöglichkeiten möglichst gering sind. Ein Restaurant, das nur ein Menü hat? Perfekt! Da kann sich Isa sofort "entscheiden" – weil sie es gar nicht muss. Wenn im Kino nur drei Filme zur Auswahl stehen, dann hilft das Isa auch. Zumindest ist es besser, als zehn verschiedene Optionen.

"Es gibt immer so viel und dann muss man sich für eins entscheiden. Und dann bleibe ich meistens einfach bei dem, was ich schon kenne."
Eine Frau bei einer Straßenumfrage

Mona Garvert ist Juniorprofessorin für Neurowissenschaften an der Uni Würzburg und forscht zur Entscheidungsfindung. Sie kennt die Hirnprozesse, die sich bei Entscheidungen abspielen. "Was passiert, ist, dass das Gehirn versucht, den verschiedenen Optionen, die wir haben, einen Wert zuzuordnen". Wir wählen dann letztendlich bevorzugt die Auswahlmöglichkeit, der wir den höchsten Wert zugeordnet haben.

Die bestmögliche Wahl treffen...

Es ist immer ein Zusammenspiel verschiedener Gehirnbereiche. Dabei kommen auch frühere Erfahrungen zum Tragen:

  • Haben wir in einem bestimmten Restaurant schon einmal gegessen und dabei eine gute Erfahrung gemacht?
  • Treffen wir gerne risikoarme Entscheidungen und essen aus diesem Grund lieber eine Lasagne?
  • Oder sind wir abenteuerlustig und wollen Krokodil- oder Kängurufleisch probieren, weil wir es noch nie gegessen haben?

Da unsere Vorlieben sich stark unterscheiden, kann es individuell sehr unterschiedlich sein, wie schwer uns Entscheidungen fallen.

"Das Gehirn versucht, den verschiedenen Optionen, die wir haben, einen Wert zuzuordnen und dann die Option auszuwählen, dessen Wert der höchste ist."
Mona Garvert, Juniorprofessorin für Neurowissenschaften an der Uni Würzburg, forscht zu Entscheidungen

Christine Flaßbeck ist Trainerin für Entscheidungsfragen und Professorin für Kommunikationspsychologie. Viele Menschen hätten Entscheidungsschwierigkeiten, weil es so viele Auswahlmöglichkeiten gibt. Das sei nicht ungewöhnlich, sagt sie.

Ich würde gern erst mal alle beruhigen. Viele Menschen haben Entscheidungsprobleme, weil wir so einen Choice Overload haben – zu viel Auswahl."
Christine Flaßbeck, Trainerin für Entscheidungsfragen und Professorin für Kommunikationspsychologie

Es gibt unterschiedliche Schwierigkeiten, wenn es darum geht, eine Wahl zu treffen. Manche von uns haben es vielleicht verlernt, die eigenen Bedürfnisse zu erkennen, sagt die Kommunikationspsychologin. Andere wollen nichts verpassen: Dann fällt es ihnen besonders schwer, sich zwischen drei Filmen zu entscheiden, weil sie sich damit gegen die anderen beiden Filme entscheiden müssen.

Und ziemlich oft sind wir uns auch einfach nicht sicher, ob eine Entscheidung tatsächlich die beste Wahl war, die wir hätten treffen können.

"Oft kommen Menschen wieder zu der Entscheidung zurück, die sie als erstes intuitiv angedacht hatten."
Christine Flaßbeck, Trainerin für Entscheidungsfragen und Professorin für Kommunikationspsychologie

Bei großen Entscheidungen kann es sich lohnen, etwas länger darüber nachzudenken, sagt die Trainerin für Entscheidungsfragen. Zum Beispiel, wenn es darum geht, ob wir unseren Job kündigen oder in welcher Stadt wir studieren wollen.

Bei Alltagsentscheidungen empfiehlt Christine Flaßbeck allerdings, nicht zu viel Lebenszeit zu investieren: Uns beispielsweise zehn Minuten lang gedanklich im Kreis zu drehen, wenn es darum geht, für welches Shampoo wir uns im Drogeriemarkt entscheiden oder welche Glasur unser Donut haben soll, lohnt sich aus Sicht von Christine Flaßbeck nicht. Sie zieht es vor, diese Zeit in neue Erfahrungen und Erlebnisse zu investieren.

Tipps für Alltagsentscheidungen

  • Wenn etwas zum Beispiel wenig Geld kostet, einfach etwas lockerer mit Entscheidungsfragen umgehen: Zum Beispiel beim Kauf einer Kugel Eis einfach bei einer Gelegenheit eine Sorte ausprobieren und beim nächsten Mal eine andere, statt lange zu überlegen.
  • Ein paar Regeln aufstellen oder Grundsatzentscheidungen treffen, zum Beispiel: In einem bestimmten Restaurant schmeckt die Creme Brulée so fantastisch, dass ich diese immer bestelle, ohne mir Gedanken darüber zu machen.
  • Oft kommen wir bei Alltagsentscheidungen, zum Beispiel bei der Wahl unseres Outfits, nach längerer Überlegung wieder zu unserer intuitiven ersten Wahl zurück. Also vielleicht einfach direkt dabei bleiben, statt lange zu überlegen.
"Wir verlieren ja auch Zeit. Das ist immer mein Motivator: Lebenszeit, die flöten geht, in der ich schon zehn Dinge hätte erleben können."
Christine Flaßbeck, Trainerin für Entscheidungsfragen