GleichberechtigungFrauenrechte in Gefahr: Kampf gegen den Backlash
In den USA werden Abtreibungsrechte gekippt, und in Afghanistan dürfen Mädchen nicht mehr zur Schule gehen. Weltweit gibt es massive Einschnitte bei Frauenrechten – 30 Jahre nachdem die Weltfrauenkonferenz Gleichstellung erst möglich gemacht hat.
Noch 123 Jahre – so lange könnte es laut Weltwirtschaftsforum dauern, bis alle Menschen auf der Welt unabhängig von ihrem Geschlecht die gleichen Rechte und Möglichkeiten haben. Und das war schon mal anders: Vor der Corona-Pandemie schätzten die Expert*innen die Zeitspanne auf rund 100 Jahre.
"Es ist erschreckend und beeinflusst natürlich unsere Arbeit auch negativ", sagt Sara Fremberg von der Frauenrechts- und Hilfsorganisation Medica Mondiale. Die Organisation unterstützt Überlebende sexualisierter Kriegsgewalt, unter anderem im Irak, in Afghanistan, im Kongo und in Südosteuropa. Sara Fremberg versucht, optimistisch zu bleiben: "Ich habe den Eindruck, dass wir als Frauenbewegung schon Schlimmeres überlebt haben. Aber was wir aktuell erleben, ist beängstigend."
Medica Mondiale arbeitet dort, wo Frauen nach Kriegen mit den Traumata und Stigmata leben, die sexualisierte Gewalt hinterlässt. Die Organisation bietet medizinische, psychologische und juristische Unterstützung und versucht, Gesellschaften für die Rechte von Frauen zu sensibilisieren.
"Zivilgesellschaften weltweit sind von Einschränkungen betroffen. Doch Frauenrechtsaktivistinnen stehen noch mal stärker in der Schusslinie."
Seit über zwanzig Jahren arbeitet Medica Mondiale in Afghanistan mit Partnerorganisationen zusammen. "Mit der Rückkehr der Taliban 2021 hat sich alles verändert. Viele unserer Partner*innen mussten fliehen. Wir haben sie bei der Evakuierung unterstützt und gleichzeitig dafür gesorgt, dass die Hilfe in Afghanistan aus dem Exil weitergeht."
Inzwischen läuft die Unterstützung vor allem digital: Beratungen, Schulungen, psychosoziale Unterstützung. Juristinnen werden vor Ort weiterhin zu Frauenrechtsthemen fortgebildet, Aktivistinnen im Exil vernetzen sich und machen immer wieder auf die dramatische Situation der Frauen und Mädchen in Afghanistan aufmerksam. "Diese Kraft und diesen Mut zu erleben, beeindruckt mich jedes Mal aufs Neue", sagt Sara Fremberg.
Weniger Geld, mehr Druck
Der Druck auf Organisationen wie Medica Mondiale wächst, auch weil das Geld knapp wird. Viele Länder kürzen ihre humanitären Hilfsbudgets. Hinzu kommt, dass Frauenrechtsarbeit vielerorts gefährlich ist. Aktivistinnen werden diffamiert und bedroht. In manchen Ländern werde inzwischen über Gesetze ausländische Finanzierung unterbunden. "Zivilgesellschaftliche Arbeit wird weltweit eingeschränkt, und Frauenrechtsaktivistinnen stehen besonders im Visier", so Sara Fremberg.
"Die politische und finanzielle Unterstützung für feministische Zivilgesellschaft muss erhalten bleiben – gerade jetzt, wo Krisen zunehmen."
Das Konzept der Geschlechtergerechtigkeit wird in vielen Ländern wieder grundsätzlich infrage gestellt, auch in der EU, sagt Angela Langenkamp, Vorsitzende der UN Women Deutschland. Dass es soweit kommen würde, hätte Angela Langenkamp vor zehn Jahren nicht gedacht.
"In 28 Ländern können Frauen noch immer keine eigenen Ausweispapiere beantragen, ohne die Zustimmung eines männlichen Vormunds."
Der Grundstein für globale Gleichstellungspolitik wurde vor dreißig Jahren 1995 in Peking bei der vierten und letzten Weltfrauenkonferenz gelegt, erklärt Angela Langenkamp. Damals sei zum ersten Mal das Prinzip des Gender Mainstreaming festgeschrieben worden, also die Verpflichtung, in allen gesellschaftlichen Bereichen geschlechtsspezifische Benachteiligungen zu erkennen und abzubauen.
Bedeutung der Weltfrauenkonferenz in Peking 1995
Der Grund, dass es seitdem keine vergleichbare Weltfrauenkonferenz gegeben hat, ist laut Angela Langenkamp: "Die Pekinger Aktionsplattform hatte ein so hohes Niveau, dass man befürchtete, man könne diesen Konsens nie wieder erreichen."
"Gleichstellung ist keine Aufgabe einzelner Frauenrechtsorganisationen, sondern ein gesamtgesellschaftliches Projekt."
Damit der Backlash wieder umgekehrt werden kann, müsse eine Menge geschehen. Vor allem aber brauche es eine breite gesellschaftliche Allianz, betont Angela Langenkamp: "Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Medien – alle müssten Verantwortung übernehmen."