Israel und Hamas einigen sichGibt’s jetzt wirklich Frieden in Gaza?

Trumps Deal ging durch. Die Terrororganisation Hamas und Israel einigen sich auf eine erste Phase eines Friedensplans. Die Geiseln sollen befreit werden, die Waffen schweigen. Was bedeutet dieser Deal konkret – und wie groß ist die Hoffnung auf einen Frieden?

Mitten in der Nacht weckt eine Push-Nachricht die Menschenrechtsaktivistin Jouanna Hassoun. Zwei Jahre nach dem Beginn des Krieges im Gazastreifen, nach Tausenden Toten und Monaten ohne Strom, Wasser und Sicherheit, scheint es plötzlich eine Wende zu geben. Israel und die Hamas einigen sich auf eine erste Phase eines Friedensplans – vermittelt von den USA und Ägypten.

Jouanna, die in Deutschland lebt und seit Jahren humanitäre Hilfe im Gazastreifen organisiert, schildert den Augenblick als Mischung aus Erleichterung und vorsichtiger Hoffnung.

"Ich war fassungslos, hab sofort angefangen zu weinen und alle in Gaza angerufen, um zu fragen, ob das wirklich stimmt."
Jouanna Hassoun, Menschenrechtsaktivistin und Geschäftsführerin von Trans-Ident e.V.

Israel hat nach der Verkündung des Waffenstillstands laut offiziellen Angaben bereits mit einem teilweisen Rückzug der Truppen begonnen. Die Armee verlegte ihre Einheiten auf zuvor vereinbarte Linien und zog sich aus dicht besiedelten Gebieten zurück.

Seither wird in Gaza kein aktiver Kampf mehr gemeldet – der Konflikt ruht derzeit.

In diesem Kontext wirkt der Moment, den Jouanna Hassoun ursprünglich als Mischung aus Erleichterung und Vorsicht beschrieb, plötzlich realer: Der Frieden ist noch nicht gesichert, aber die Phase der Angriffe scheint abgeschlossen. Der Rückzug der israelischen Armee und die faktische Aussetzung von Kampfhandlungen schaffen jetzt die Möglichkeit für humanitäre Hilfe, Wiederaufbau und politische Gespräche.

"Es ist ein Hoffnungsschimmer, dass sie einfach schlafen können, dass sie nicht mehr Angst haben müssen, um ihre Angehörigen, um ihre Liebsten bald nicht mehr hungern müssen."
Jouanna Hassoun, Menschenrechtsaktivistin

Für Jouanna Hassouns Team, das in Zentralgaza Suppenküchen betreibt, bleibt die Lage unübersichtlich. Einige der Helfer*innen seien gestorben, andere mehrfach geflohen.

Viele wollten erst dann in die Städte zurückkehren, wenn klar sei, dass die Waffen tatsächlich schweigen. Hassoun erzählt, dass sie trotz allem weitermache: Schulen sollen entstehen, Unterkünfte, psychologische Betreuung. Ihre Organisation wolle Strukturen aufbauen, "damit Menschen nicht nur überleben, sondern leben können".

Gleichzeitig spricht sie über die Leere, die jetzt viele überkommt – nachdem der Schock langsam abfällt.

"Jetzt müssen die Menschen begreifen, was sie verloren haben. Diese Leere, dieser Schmerz – das wird bleiben."
Jouanna Hassoun, Menschenrechtsaktivistin

Für sie ist klar: Ein Waffenstillstand allein bringt keinen Frieden. Erst wenn Besatzung, Angst und Unterdrückung enden, könne Gerechtigkeit entstehen. Frieden müsse auf Würde beruhen, nicht auf politischem Druck.

"Unsere Menschlichkeit, unsere Würde ist nicht verhandelbar. Erst wenn Menschen eine Perspektive bekommen, können die Wunden heilen. Und das wird wahrscheinlich Generationen dauern."
Jouanna Hassoun, Menschenrechtsaktivistin

Erleichterung in Israel

In Israel ist die Nacht nach der Verkündung des Deals zu einer Nacht der Erleichterung geworden.

"In Tel Aviv sind mitten in der Nacht Menschen auf den Platz der Geiseln geströmt – sie haben geweint, gefeiert, getanzt."
Jan-Christoph Kitzler, ARD-Korrespondent in Tel Aviv

Auf dem "Platz der Geiseln", der seit zwei Jahren zum Mahnmal geworden ist, sei die Erleichterung riesig, berichtet ARD-Korrespondent Jan-Christoph Kitzler. Dort, wo sonst Plakate an die Verschleppten und Toten erinnern, kamen in der Nacht nach der Verkündung viele Menschen zusammen. Kitzler berichtet, dass sie sich gefreut hätten, weil nun alle Geiseln freikommen sollen – eine Zusage, die die Hamas gegeben habe.

"Die Stimmung ist vorsichtig gut, weil man hofft, dieses furchtbare Kapitel des 7. Oktober endlich abschließen zu können."
Jan-Christoph Kitzler, ARD-Korrespondent in Tel Aviv

Noch ist unklar, wann genau die Geiseln freikommen – vielleicht am Sonntag, vielleicht später. Für viele Familien bedeutet der Deal die Aussicht auf Erlösung – oder auf Abschied, denn einige der Geiseln werden nur noch tot zurückkehren.

Erschöpfung in Gaza

Während Israel aufatmet, beschreibt auch Jan-Christoph Kitzler ein anderes Bild im Gazastreifen. Die Region sei am Ende ihrer Kräfte.

"Die Menschen im Gazastreifen haben zwei Jahre der Hölle hinter sich."
Jan-Christoph Kitzler, ARD-Korrespondent in Tel Aviv

Kitzler beschreibt, dass der Krieg dort flächendeckende Zerstörung hinterlassen hat: Häuser, Krankenhäuser und Straßen liegen in Trümmern, viele Menschen sind geflohen. Fast jede Familie habe Tote oder Verletzte zu beklagen. Die Versorgung mit Lebensmitteln, Wasser und Medikamenten sei über Monate zusammengebrochen. Auch wenn jetzt die Waffen schweigen, bleibe die Lage dramatisch – das tägliche Leben für viele fast unmöglich.

"Alle kennen Opfer, Menschen, die gestorben sind, in ihrem engsten Umfeld. Es gibt viele Verletzte – und die Versorgung war unterirdisch."
Jan-Christoph Kitzler, ARD-Korrespondent in Tel Aviv

Doch Kitzler ordnet ein: Der israelische Rückzug betrifft zunächst nur bestimmte Gebiete. Die Armee soll sich aus Gazastadt und Khan Yunis zurückziehen, kontrolliert aber weiterhin große Teile des Nordstreifens. Parallel sollen humanitäre Korridore geöffnet werden – Hilfsgüter stehen bereit, rund 170.000 Tonnen, die nun verteilt werden können.

"Zum ersten Mal seit Jahren können Hilfsorganisationen wieder sicher arbeiten. Das wird die Lage für viele sofort verbessern."
Jan-Christoph Kitzler, ARD-Korrespondent in Tel Aviv

Ein Deal mit offenen Fragen

Der von Trump vermittelte Friedensplan sieht vor, dass die Hamas entwaffnet und eine internationale Übergangsregierung gebildet wird. Im Gespräch ist außerdem der frühere britische Premier Tony Blair als Koordinator. Er soll den Wiederaufbau von Krankenhäusern, Schulen und Wasserversorgung organisieren.

Der von Donald Trump vermittelte Friedensplan wird international als Durchbruch gewertet – und sorgt gleichzeitig für neue Spannungen.

Während arabische Staaten und auch die Bundesregierung auf eine politische Lösung mit einer reformierten palästinensischen Autonomiebehörde drängen, lehnt Israels Premierminister Benjamin Netanyahu weiterhin die Gründung eines palästinensischen Staates ab. Kitzler berichtet, dass selbst innerhalb Israels Skepsis herrsche: Die Mehrheit wünsche sich ein Ende des Kriegs, doch viele zweifelten, ob Netanyahus Regierung bereit sei, den Kurs wirklich zu ändern.

"Die Mehrheit der Israelis will seit Langem, dass der Krieg endet und die Geiseln freikommen. Jetzt kam der entscheidende Druck auf Netanyahu – von Donald Trump."
Jan-Christoph Kitzler, ARD-Korrespondent in Tel Aviv

Kitzler erklärt, dass dieser Druck den entscheidenden Ausschlag gegeben habe: Erst die Initiative des US-Präsidenten habe die israelische Regierung bewegt, dem Plan zuzustimmen. In der Nacht nach der Verkündung lobten sowohl israelische Medien als auch Vertreter der Hamas überraschend Trumps Vermittlungsrolle.

Selbst aus Gaza kamen Dankesbekundungen – ein seltener Moment, in dem beide Seiten denselben Namen nannten.