Kein Job trotz FachkräftemangelWTF ist am Arbeitsmarkt los?
Qualifiziertes Personal fehlt an zahlreichen Stellen in Deutschland, gleichzeitig entlassen Unternehmen Mitarbeiter oder stellen erst gar keine neuen mehr ein. Wie passt das zusammen? Bo und Anca schauen genauer auf den Arbeitsmarkt und seine Herausforderungen.
Wer zurzeit auf Jobsuche ist, braucht Geduld. Das erlebt auch Friederike, die seit dem Abschluss ihres Studiums in Media Technology und Society Arbeit sucht: "Ich bin jetzt seit acht Monaten mit meinem Master fertig und seitdem auf Jobsuche und ich würde sagen, das läuft eher so mäßig. Bislang habe ich immer noch nichts gefunden und bin somit ins Bürgergeld abgerutscht."
Friederike gehört damit zu den drei Millionen Arbeitslosen, die Deutschland im Juli 2025 verzeichnet. Unter ihnen sind viele Menschen, die ihren Job verloren haben oder wie Friederike erst gar keinen finden. Doch woran liegt das? Suchen Firmen nicht händeringend Personal?
Fachkräftemangel, Stellenabbau und schlechte Konjunktur
Tatsächlich müsste man meinen, Arbeitssuchende rennen zurzeit offene Türen ein. Immerhin fehlen in Deutschland aktuell rund 400.000 Fachkräfte (im März 2025 fehlten mehr als 387.000 Fachkräfte laut dem Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung (KOFA)). Das KOFA ist ein Projekt im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWE).
Und das Problem wird tendenziell immer größer. Einige Firmen kommen deshalb bereits an ihre Grenzen – denn kein Personal zu haben, kostet die Firmen Geld, weil sie ihre Aufträge nicht abarbeiten und zum Teil sogar gar keine neuen Aufträge mehr annehmen können.
Auch für die bestehenden Mitarbeiter hat das Konsequenzen, erklärt Marius Horak, der bei beim Triebwerkshersteller Rolls Royce arbeitet:
"Dann werden die Schichten halt so gelegt, dass die Mitarbeiter auch übers Wochenende da sind. Frühschicht, Nachtschicht aufgeteilt, sodass nur noch zwei anstatt drei Leute da sind."
Für Firmen und Mitarbeiter ist das ein Dilemma. Doch muss das sein? Immerhin stehen den rund 400.000 fehlenden Fachkräften drei Millionen Arbeitslose gegenüber – unter ihnen viele Menschen wie Friederike, die arbeiten wollen. Wieso kommt man da nicht überein?
Anja Warning ist Arbeitsmarktexpertin am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, erklärt das so:
"Das ist das ganz klassische Mismatch-Problem, dass die Anforderungen der Arbeitgeber auf der einen Seite nur bedingt zu dem passen, was Arbeitslose mitbringen und anbieten können."
Dass genauso junge Menschen von diesem Mismatch betroffen sind, wundert Anja Warning aber nicht:
"In so einer schwachen konjunkturellen Situation, wie wir sie im Moment haben, ist es nichts Außergewöhnliches, dass es vor allem die jungen Arbeitssuchenden schwer haben am Arbeitsmarkt."
Neu ist aber, dass die Unternehmen zurzeit besonders vorsichtig und zurückhaltend mit Einstellungen sind. Wegen der schwachen Wirtschaft, der geringen Nachfrage und den damit verbundenen finanziellen Engpässen. Viele wollen zurzeit einfach kein neues Personal einstellen, wobei sie eigentlich Bedarf hätten.
"Aktuell warten viele Unternehmen ab, wohin sich die Wirtschaft weiterentwickeln wird. Und sie versuchen, das, was sie an Aufträgen haben, mit dem vorhandenen Personal zu schaffen."
Doch die Einstellstopps und Massenentlassungen, die es trotz des Fachkräftemangels gibt, haben auch mit einer weiteren Entwicklung zu tun – und zwar mit künstlicher Intelligenz.
Künstliche Intelligenz - die neueste aller Herausforderungen
Denn immer mehr Firmen erkennen, dass es zum Teil auch ohne Personal geht. Fragt man die Firmen, dann geht aktuell mehr als ein Viertel (27,1 Prozent) davon aus, dass KI in den kommenden fünf Jahren zum Abbau von Stellen führen wird.
Und auch Anja Warning erwartet, dass der Einsatz von künstlicher Intelligenz strukturell zu weniger Personal führt. Für Arbeitssuchende birgt diese Entwicklung ein gewisses Risiko. Für sie gilt: je mehr KI-Know-How, desto besser.
Mehr über die Chancen und Risiken von künstlicher Intelligenz für den Arbeitsmarkt hört ihr in dieser Folge von "What the Wirtschaft?!".