Licht, Wärme, WaffenWofür die Ukraine Milliardenhilfen braucht

Die EU beschließt 90 Milliarden Euro für die Ukraine. Selenskyj sagt: Es reicht trotzdem kaum. Wir erklären, wofür das Geld gebraucht wird – von Militär bis Stromnetz. Yuriy riskiert für Letzteres täglich sein Leben.

Yuriy bringt Licht. Dafür setzt er sein Leben aufs Spiel – in der Region Donezk in der Ostukraine. Fast alles hat die russische Armee hier eingenommen. Aber einige Ukrainerinnen und Ukrainer leben hier noch, in unmittelbarer Nähe einer der brutalsten Frontlinien in diesem Krieg.

Wie viele in der Ukraine sitzen die Menschen hier manchmal plötzlich im Dunkeln. Tagelang kann der Strom fehlen, auch in großen Städten wie Odessa. "Russland zerstört die Energieinfrastruktur der Ukraine zielgerichtet", sagt Florian Kellermann, unser Korrespondent im ARD-Studio in Kiew.

"Wir sind jeden Tag im Einsatz. Ich fahre immer zu den Orten, bei denen ich die gefährlichsten Situationen erwarte."
Yuriy, arbeitet im ukrainischen Energiesektor in der Region Donezk

Yuriy erlebt das aus nächster Nähe: "Sie greifen alles an, was für die Stromversorgung gebraucht wird", beschreibt er die Situation vor Ort. Transformatoren etwa, die zum Beispiel Krankenhäuser oder Wasserpumpen mit Strom versorgen. Oder die Verteilknoten der Stromnetze: "90 Prozent der Angriffe treffen die Umspannwerke, weil sie leichte Ziele sind", so Yuriy.

Und wenn das passiert, rücken er und seine Kollegen aus: Schlägt in einem Stromkraftwerk oder Umspannwerk in Donezk eine russische Rakete oder Drohne ein, fährt er genau dorthin, oft nur wenige Stunden später. Und das ist gefährlich.

"Man kann vielleicht ohne Gas auskommen, aber ohne Strom wird das Leben sofort sehr, sehr schwierig."
Yuriy, repariert die Strominfrastruktur in der Ukraine

Er und seine Kollegen sind schon von der russischen Armee beschossen worden. Ein Fahrer erlitt bei einem Angriff einen Durchschuss am Handgelenk. Für eine Behandlung war keine Zeit – die Blutung mussten sie mit den Händen stoppen und sich erst mal aus der Gefahrenzone retten, erzählt Yuriy.

Nachts rückt das Reparatur-Team gar nicht mehr aus. Das Risiko ist zu hoch für seine Leute, erklärt er: "Nachts sieht man nicht, wo man hintritt. Es liegen Blindgänger herum."

"Die Angriffe auf die Strominfrastruktur sind eine Riesenbelastung für die Menschen."
Florian Kellermann, Korrespondent im ARD-Studio Kiew

Fast jede Nacht gibt es solche Angriffe mit Raketen und Drohnen. Das Ziel: Die Ukraine zu zermürben. Zum Glück ist dieser Winter dort nicht so kalt wie sonst, sagt unser Korrespondent, und doch ist es eine wahnsinnige Belastung für die Menschen.

Die Hoffnung Russlands: "dass die Unzufriedenheit wächst und die Menschen immer mehr sagen: Wir wollen einen Frieden – egal, um welchen Preis", so Florian.

EU-Kredite gegen Staatsbankrott und für Verteidigung

Das Geld, das die EU nun an die Ukraine gibt, soll dabei helfen, dass diese Rechnung nicht aufgeht: 90 Milliarden Euro, die sich aus je 45 Milliarden für die Jahre 2026 und 2027 zusammensetzen.

Anders als ursprünglich geplant, kommen diese Gelder nun nicht als Darlehen aus in der EU eingefrorenem russischen Staatsvermögen, sondern als zinsfreier Kredit der EU. Das wurde in der Nacht auf den 19. Dezember nach langen und zähen Verhandlungen beim EU-Gipfel beschlossen.

"Wir gehen jetzt in Vorleistung, aber es wird abgesichert durch die russischen Vermögenswerte. Damit ist genau das erreicht, was ich wollte: dass Russland für diesen Krieg bezahlt."
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) über die Ergebnisse des EU-Gipfels zur Frage der Finanzierung der Ukraine

Für die Ukraine spielt es letztendlich keine Rolle, woher das Geld kommt – Hauptsache, es kommt. Denn die massiven Angriffe Russlands kosten: Energieinfrastruktur muss repariert werden, Ersatzteile werden benötigt, militärisches Gerät und mehr.

Die Ukraine steht - bzw. stand - kurz vor einem Staatsbankrott. Das Geld, das jetzt aus der EU kommt, macht die Ukraine nicht reicher, sondern füllt nur ein Loch. Denn aus anderen Quellen kommt weniger, erklärt Florian Kellermann – mit Donald Trump ist die Unterstützung aus den USA nahezu versiegt.

"Die Ukraine dachte, sie sei gut vorbereitet auf diesen Winter und auf die Angriffe. Aber jetzt zeigt sich, dass die Angriffe so massiv sind, dass es an allen Ecken fehlt."
Florian Kellermann, Korrespondent im ARD-Studio Kiew

Mit den 90 Milliarden aus der EU kann die Ukraine zunächst ihren Haushalt für das kommende Jahr ausgleichen, erklärt unser Korrespondent. Der war in der Not beschlossen worden, obwohl eine riesige Finanzierungslücke klaffte.

Sozialausgaben, Polizei, Waffenkäufe und mehr – für all das wird Geld benötigt. Und ganz zentral: die Kosten durch Russlands Angriffe auf die Energieinfrastruktur und auch auf die Rüstungsindustrie der Ukraine.

Die Ukraine braucht mehr als Geld

Das Geld ist dringend notwendig, sagt Florian Kellermann. Wenn es nicht gekommen wäre, hätte die Ukraine etwa massiv Sozialausgaben und Subventionen für Firmen streichen müssen. "Und das hätte natürlich auch auf den Krieg Einfluss, weil es die Moral der Menschen noch mal stärker geschwächt hätte", so unser Kiew-Korrespondent.

"Man kann nicht einfach neue US-Patriot-Systeme auf dem Weltmarkt kaufen, weil es sie einfach nicht gibt."
Florian Kellermann, Korrespondent im ARD-Studio Kiew

Dass der EU-Gipfel diese Kredite nun beschlossen hat, hilft der Ukraine sehr. Allerdings gibt es noch weitere Probleme. So ist es nicht nur wegen des Geldes etwa schwierig, an dringend benötigte Flugabwehrsysteme zu kommen. Der Bedarf ist global stark gestiegen. Und: Die Ukraine muss Korruption im eigenen Land bekämpfen, damit keine Gelder abfließen – wieder, müsste man dann ja leider sagen.

Dass die finanzielle Situation nun vorerst stabil ist, ist sicher ein Hoffnungsschimmer. Trotzdem: Die Menschen in der Ukraine werden immer müder und auch immer verbitterter, sagt Florian Kellermann.

"Wenn man sieht, dass in den Städten wieder Licht brennt, dann gibt mir das ein sehr schönes Gefühl."
Yuriy, repariert Strominfrastruktur in der Ukraine

Ohne Menschen wie Yuriy und seine Kollegen, die täglich Ihr Leben riskieren, um die Lebensbedingungen ihrer kriegsgeschüttelten Landsleute irgendwie erträglich zu machen, wäre es noch schwerer. Deshalb reparieren sie weiter und sorgen dafür, dass das Licht angeht – und schaffen damit auch Hoffnung.

Hörtipp: Im Deutschlandfunk-Nova-Podcast What the Wirtschaft?! geht es um das in der EU eingefrorene russische Staatsvermögen – unter anderem.

Hinweise: Diese Unboxing-Folge wurde am Freitag, 19.12.2025, um 15 Uhr produziert. Das Artikelfoto ist ein Archivbild und zeigt nicht Yuriy.