MedizinVerwertung von menschlichen Geweberesten

Ein entferntes Muttermal, ein entnommener Blinddarm oder die Plazenta nach der Geburt: In der Medizin fällt jede Menge menschliches Gewebe an, das teilweise untersucht und danach oft entsorgt wird. Es kann aber auch noch weiter verwertet werden.

Ein Beispiel ist die innerste Haut einer Plazenta, die Amnionmembran. "Das ist die Eihaut, in der der Embryo – von Fruchtwasser umgeben – gut geschützt ist", erklärt Julia Demann aus dem Deutschlandfunk-Nova-Wissensteam. Mit dieser Haut etwa lassen sich Augen- oder Brandverletzungen heilen.

Denn diese Haut enthält embryonales Gewebe, Zellen, die sich extrem gut anpassen können. "Sie haben Stammzellpotenzial. Und sie enthalten auch sehr viele Stoffe, die helfen, neues Gewebe aufzubauen, also auch zu regenerieren", so Julia. Deshalb setzt man dieses Gewebe in der Augenheilkunde bei Hornhautverletzungen ein oder auch bei schlimmen Brandverletzungen.

"Die Amnionmembran wird in der Regel vom Körper des Empfängers nicht als fremdes Gewebe erkannt und löst deshalb auch keine Abstoßungsreaktionen aus."
Julia Demann, Deutschlandfunk Nova

Unter der Membran kann sich dann zum Beispiel verletzte Hornhaut wieder erholen. Bei Brandverletzungen kann das Gewebe narbenfrei abheilen. "Viele, die diese Amnionmembran aufgelegt bekommen haben, berichten, dass sie direkt weniger Schmerzen haben", sagt unsere Reporterin. Außerdem findet der gefürchtete Verbandswechsel dann seltener statt, weil die schützende Membran die Wunde bedeckt.

Organoide können Versuchstiere ersetzen

Aber auch anderes Gewebe kann nach der Entnahme nützlich sein, zum Beispiel in der Forschung. Karin Schmelz koordiniert die Primary Tissue Pipeline der Berliner Charité, sie sagt: Abfall gebe es eigentlich gar nicht. "Es ist wirklich alles interessant – von der Onkologie her sind es eben die Tumore, aber es ist auch interessant, gesundes Gewebe zu entnehmen, weil das auch eine Basis ist, um daraus sogenannte Organoide zu bauen", sagt Karin Schmelz.

Tumore werden in der Krebsforschung verwendet, um Krebsformen besser zu verstehen und wirkungsvollere Therapien zu entwickeln. Gesundes Gewebe kann als Basis dienen, um daraus Organoide herzustellen – Miniorgane, die die Struktur und Funktion menschlicher Organe nachahmen. Solche Organoide können zum Teil Versuchstiere ersetzen, etwa wenn man sie einsetzt, um die Wirkung neuer Medikamente zu erforschen.

Bevor menschliches Gewebe nach einer Entnahme weitergenutzt werden kann, müssen Patient*innen jedoch dazu einwilligen, dass sie es spenden.

Hinweis: Unser Bild zeigt eine Herzklappe aus einer Gewebespende.