RusslandWie Putin seine Gegner stummschaltet

Während die USA und Russland über "Frieden" in der Ukraine reden, lässt Putin zuhause Kriegsgegner einsperren. Wie lebensgefährlich Widerstand ist, zeigt sich an Diana Loginowa. Als Musikerin Naoko singt sie gegen den Krieg – und war deswegen in Haft.

Auf internationaler Bühne wird derzeit wieder verhandelt: Der russische Präsident Wladimir Putin empfängt den US-Sondergesandten Steve Witkoff, um über den Krieg in der Ukraine zu sprechen. In Russland selbst darf das Wort "Krieg" gar nicht erst in den Mund genommen werden. Dort heißt es "militärische Spezialoperation" – und die darf in keiner Weise infrage gestellt werden.

Wer dennoch etwas sagt oder auch nur etwas postet, zahlt dafür mitunter bitter, sagt Gesine Dornblüth. Sie hat als Journalistin in Russland gelebt und berichtet regelmäßig über Osteuropa. "Zuletzt wurde ein Buchhändler zu fünf Jahren Haft verurteilt, weil er 2022 zwei Posts veröffentlicht hatte." In dem einen Post sei es um russische Angriffe auf Wohnhäuser in der ukrainischen Stadt Nikopol gegangen, in dem anderen um den russischen Beschuss ziviler Infrastruktur und ukrainischer Zivilisten.

Russland erstickt auch kleinste Kritik

Auch Maria weiß, was denjenigen droht, die nicht regimetreu sind. Sie lebte bis 2022 in Moskau, arbeitete dort als Finanzanalystin. Irgendwann begann Maria, sich politisch zu engagieren – allerdings für die Opposition. Sie kandidierte selbst, half bei der Organisation von Wahlen und bei Wahlkämpfen und war später als Wahlbeobachterin aktiv.

Deutschlandfunk-Nova-Reporterin Annika Witzel hat mit Maria gesprochen, wie es war, sich in Russland für die Opposition stark zu machen. Maria antwortet recht abgebrüht: Klar habe sie Drohungen erhalten, es habe auch körperliche Angriffe gegeben. Doch für Maria galt das als "tragbares Risiko", wie sie sagt.

"Als Oppositionelle wirst du verprügelt, aber das verheilt nach zwei Wochen wieder."
Maria, aus Russland geflohen

Doch mit dem russischen Großangriff auf die Ukraine im Februar 2022 änderte sich alles. Plötzlich, erzählt Maria, stand die Polizei vor ihrer Haustür. Sie solle ja nicht auf die Straße gehen, um zu protestieren, wurde ihr gesagt. Auch andere Oppositionelle seien von der Polizei aufgesucht worden, es habe regelrechte Listen gegeben – mit Namen von Menschen, die eingeschüchtert werden sollten. Für Maria steht fest: Demonstrationen sollten so verhindert werden, bevor sie überhaupt anfingen.

Proteste aus dem Verborgenen

Öffentlich sichtbarer Protest existiert in Russland im Prinzip nicht, sagt Gesine, auch weil die Gesetzeslage verschärft wurde. Schon zwei Menschen an einer Bushaltestelle können als illegale Versammlung gewertet werden. Einzig einzelne Mahnwachen seien erlaubt, würden aber meistens aufgelöst.

Die juristische Grundlage dafür liefert ein Gesetz, das kurz nach Kriegsbeginn eingeführt wurde: das Verbot der Diskreditierung der Armee. "Bereits einfache Kritik gilt als Straftat. Beim ersten Verstoß drohen hohe Geldstrafen, beim zweiten sind Verurteilungen bis zu sieben Jahre Haft möglich – mitunter höher, wenn Terrorismus- oder Extremismusvorwürfe hinzukommen", erklärt die Journalistin.

"Wenn du sagst, dass russische Soldaten unschuldige Menschen in der Ukraine getötet haben, gilt das als Lüge und damit als schwere Straftat."
Maria, aus Russland geflohen

Ein weiteres Mittel der Einschüchterung ist die sogenannte Karussellhaft. Gesine Dornblüth erklärt: Nach einer beispielsweise zweiwöchigen Ordnungshaft werden Betroffene direkt wieder festgenommen. Es werden neue Anschuldigungen formuliert, die eine weitere Haftzeit legitimieren sollen.

So war es auch bei Diana Loginowa, die als Musikerin Naoko in St. Petersburg auf der Straße aufgetreten ist. Der regimekritische Song ihrer Band ging viral. Dafür kam sie insgesamt sechs Wochen in Haft, schließlich hat sie das Land verlassen.

Widerstand aus dem Exil heraus

Trotz Drohungen und Gefahr geht auch Maria auf die Straße. Das ist im Jahr 2022. Sie wird festgenommen. Nachdem sie eine Geldstrafe gezahlt hat, kommt sie wieder frei – das sei aber nur dank ihres Anwalts möglich gewesen, betont sie. Als die Gesetze immer schärfer werden, sieht Maria nur noch eine Möglichkeit: Sie muss ihr Heimatland verlassen. Weil sie in Deutschland berufliche Kontakte hat, flieht sie hierher.

"Die Menschen in Europa sollten genau hinschauen, was passiert, wenn man sagt: Da ist ein starker Führer, der wird schon alles regeln."
Maria, ist aus Russland geflohen

Seit ihrer Flucht unterstützt Maria von Deutschland aus Menschen in Russland. Sie organisiert Dokumente, macht Sicherheitsprüfungen, hält Kontakt. Ihrer Einschätzung nach wächst der Widerstand gegen Putin im Verborgenen. Einen verstärkten Protest aus Europa wünscht sie sich nicht unbedingt.

Viel wichtiger ist für sie, dass die Menschen eine Lehre daraus ziehen, was in Russland passiert. Sie empfiehlt: "Die Menschen in Europa sollten genau hinschauen, was passiert, wenn man sagt: Da ist ein starker Führer, der wird schon alles regeln."