SelbstzweifelWarum fühlen wir uns weniger schlau als andere?
In der Schule lief für Jonny alles easy. An der Uni fühlt er sich plötzlich weniger smart als die anderen – und blockiert. Ein Therapeut sagt: Wahrnehmen, was wir fühlen, und checken, ob’s wirklich stimmt – das kann schon entlasten.
Während Jonny im Psychologie-Seminar an der Uni Schwierigkeiten hat, den Ausführungen des Dozenten zu folgen, stellen sein Kommiliton*innen fragen, die zeigen, wie viel Ahnung sie schon haben. Das schüchtert Jonny etwas ein, weil er den Eindruck bekommt, dass sein Mit-Studierenden deutlich mehr wissen, kompetenter und intelligenter sind als er. Dadurch fühlt er sich allein und fehl am Platz.
"Ich habe dann auch so ein bisschen an mir gezweifelt, ehrlich gesagt: Ob ich da richtig bin, ob die anderen nicht vielleicht doch alle intelligenter sind als ich und ich nicht so richtig mitkomme."
Jonny ist sich nicht sicher, ob es ihm tatsächlich zusteht, Psychologie mit den anderen zu studieren, die scheinbar alle besser sind als er.
Seine Zweifel mögen möglicherweise auch daher kommen, dass sein Abi-Durchschnitt nicht gereicht hat, um Jonny den Studienplatz zu sichern. Ausschlaggebend war ein Eignungstest, den er gut bestanden hat.
Jonny tauscht sich über seine Unsicherheiten mit anderen Studierenden aus, aber auch das hilft nicht so richtig. Viele reagieren mit Unverständnis.
Selbstzweifel: Der Vergleich mit den anderen hilft nicht weiter
Sind alle intelligenter als ich? Das ist eine der Fragen, die Jonny bei seinem Dilemma beschäftigt. Wird er es schaffen mitzuhalten oder muss er möglicherweise sogar das Studium abbrechen, wenn er nicht schlau genug ist?
Intelligenz zu definieren, ist komplex, sagt der Psychologe und Bildungsforscher Benjamin Goecke. Er sagt, dass es eine Sammlung aus verschiedenen Aspekten ist, die er als mentale Kapazitäten bezeichnet. Diese können uns dabei helfen, Probleme zu lösen, logisch zu denken, sprachliche Dinge zu lernen und vielleicht auch Zusammenhänge im Leben zu erkennen.
Welche Art von Intelligenz sich messen lässt
Intelligenztests können grob gesagt zwei Bereiche unseres Denkens messen, die sich in fluider und kristalliner Intelligenz unterscheiden lassen. Die fluide Intelligenz umfasst beispielsweise Denkprobleme, die durch logisches Schlussfolgern gelöst werden. Bei der kristallinen Intelligenz geht es beispielsweise um unseren Wortschatz oder um Faktenwissen, wie es bei "Wer wird Millionär?" abgefragt wird.
Somit ist der Vergleich mit und die Frage nach der Intelligenz der anderen für Jonny nicht zu beantworten und wenig hilfreich, wenn es darum geht, ob er eine Chance hat, gut durchs Studium zu kommen und es zufriedenstellend abzuschließen.
"Das liegt daran, dass die meisten von uns in einem sehr strikten Wertesystem, auch mit der Schule, aufwachsen, wo es immer um Bewertung geht und um Einordnung der eigenen Leistung."
Die meisten von uns wachsen in einem sehr strikten Bewertungssystem auf, sagt Daniel Reinemer. Der Heilpraktiker hat eine Praxis für Psychotherapie und befasst sich mit Komplexen und Minderwertigkeitsgefühlen. Oft basieren unsere Einschätzungen auf Emotionen, die nicht unbedingt mit der Realität übereinstimmen.
Er rät daher:
- Zur Innensicht statt zum Vergleich mit anderen
- Dass wir uns unsere Gefühle bewusst machen
- Dass wir uns bewusst machen, dass unsere Einschätzung nicht unbedingt der Realität entspricht
- Dass wir uns mit anderen austauschen
Besonders im Alter von 15 bis 30 Jahren geht es vielen wie Jonny, sagt der Heilpraktiker. Und auch in den Hörsälen ist es die Mehrheit, die so denkt und empfindet wie Jonny, sagt Daniel Reinemer.
Deswegen denkt er, dass auch Lehrende an Unis den Studierenden diese Unsicherheit nehmen könnten, wenn sie es in Seminaren und Vorlesungen zum Thema machen würden.