FlugverkehrTicketsteuersenkung: Kaum Effekt für die Kunden
Fliegen ist bequem und manchmal nötig – aber eben auch umweltschädlich. Auch deshalb gibt es die Luftverkehrsteuer. Schwarz-Rot will die nun wieder senken. Verbrauchern wird das allerdings wenig bringen, sagt der Wirtschaftsjournalist Nicolas Lieven.
Die Luftverkehrsabgabe aka Ticketsteuer ist nach Strecke gestaffelt. Sie beläuft sich auf etwa 15 bis 70 Euro, je nachdem, wohin man fliegt, erklärt der Wirtschaftsjournalist Nicolas Lieven. Allerdings: Sie fällt nur an, wenn der Flug in Deutschland startet.
"Seit die Ticketsteuer 2011 eingeführt wurde, vor allem aber seit der Erhöhung im Mai 2024, wettern die Airlines dagegen."
Die Airlines kritisieren die Steuer deshalb, sagt er. Das Argument: Sie verzerre den Wettbewerb. Das Ergebnis: Viele Airlines fliegen seltener von Deutschland aus oder planen Strecken mit Stopps im Ausland – etwa nach New York über Paris.
Fliegen in Deutschland vergleichsweise teuer
Nicht nur Airlines sagen deshalb: Das schadet der deutschen Wirtschaft. In der Branche hierzulande arbeiten rund 800.000 Menschen, erinnert Nicolas Lieven. Zu der Ticketsteuer kommen zudem noch weitere Gebühren hinzu, sodass Fliegen von Deutschland aus im internationalen Vergleich teurer ist.
"Wenn man sich das im europäischen Vergleich anschaut, dann ist es in sehr vielen Ländern schon sehr viel günstiger als in Deutschland."
Nicht nur für die Fluggäste, auch für die Airlines. Laut einer Erhebung der Deutschen Luftverkehrswirtschaft belaufen sich die Kosten für den Start eines mittelgroßen Passagierflugzeugs, konkret eines Airbus mit rund 180 Plätzen und Flugziel irgendwo in Europa, auf...
- 5.000 Euro Gebühren bei Abflug aus Deutschland
- 3.500 Euro bei Abflug aus Paris
- 2.000 Euro bei Abflug aus Rom
- 700 Euro bei Abflug aus Madrid
- 500 Euro bei Abflug aus der Türkei
Daran lässt sich sehen, so Nicolas Lieven, dass sich das Streichen von Flügen oder die Einplanung eines Zwischenstopps für die Airlines durchaus lohnen kann. Denn die Flugstrecke von Deutschland aus wird so kürzer und reduziert damit die Abgaben.
"Es lohnt sich für die Airlines, nicht in Deutschland zu starten, sondern möglicherweise in Frankreich, Italien oder in der Türkei."
Die Ticketsteuer wurde 2011 eingeführt und 2024 von der Ampelkoalition erhöht. Diese Erhöhung will die schwarz-rote Koalition nun wieder kassieren. Da muss man aber genauer hinschauen, sagt Nicolas Lieven:
Die Abgabe insgesamt habe dem Staat im vergangenen Jahr insgesamt 1,9 Milliarden Euro eingebracht. Diese Einnahme würde durch den aktuellen Plan um 250 Millionen Euro verringert – also "ein relativ kleiner, überschaubarer Teil". Zwar würden die Airlines etwas sparen, aber es ist nicht zu erwarten, dass die Verbraucher*innen davon profitieren.
Airlines wollen Ersparnis nicht an Kunden weiterreichen
Denn viele Airlines haben bereits angekündigt, die Einsparung nicht an die Kund*innen weiterzureichen. Stattdessen fordern sie noch weitere Entlastungen. Das Argument eben: Im internationalen Vergleich reiche die Senkung nicht aus.
Es geht den Fluggesellschaften nämlich nicht nur um die Ticketsteuer, sondern auch um viele andere Gebühren, die sich in den letzten Jahren erhöht haben. Allerdings glaubt der Wirtschaftsjournalist: "Wir werden diesen Wettbewerb mit den anderen Ländern nie gewinnen, das steht fest."
Selbst wenn die Airlines die Senkung weitergeben würden, wäre für die Kund*innen übrigens nicht sehr viel gewonnen: Für eine Kurzstrecke beliefe sich die Ersparnis für Fluggäste auf etwa 2,80 Euro, bei der Langstrecke auf rund 12 Euro pro Ticket, rechnet er vor. Also etwas Geld, aber nicht gerade üppig.
Bedeutung der Ticketsteuer für die Umwelt
Das ist der finanzielle Aspekt. Und die Umwelt? Das Ziel der Ticketsteuer, auch Alternativen schmackhaft zu machen wie etwa die Bahn, sieht Nicolas Lieven nicht erreicht. Seit der Pandemie fliegen wieder viel mehr Menschen, erklärt er – schon fast wieder so viele wie vor Corona.
"Die Passagiere lassen sich von dieser Ticketsteuer überhaupt nicht abhalten, doch noch in den Flieger zu steigen."
Allerdings: Nicht nur bei den Flügen sind die Passagierzahlen gestiegen (und zwar im letzten Jahr um rund acht Prozent, so der Wirtschaftsjournalist), sondern auch in den Zügen. Allerdings sei die Bahn mit ihren aktuellen Problemen wie maroden Strecken oder Verspätungen auch keine sonderlich attraktive Alternative zum Fliegen.
Vorteile einer internationalen Regelung im Flugverkehr
Nicolas Lieven vergleicht die Struktur des Problems mit der Funktionslogik von Steueroasen: "Wenn ein Staat etwas macht und die anderen Staaten machen es nicht, dann gehen die Airlines dahin, wo es günstiger ist."
Am sinnvollsten wäre daher seines Erachtens eine europaweite, wenn nicht sogar weltweite Regelung zu schaffen. Tatsächlich war schon mal im Gespräch, eine streckenabhängige Kerosinsteuer auf Flugbenzin einzuführen, sagt er.
"Die Kerosinsteuer wäre ein sinnvoller Weg gewesen – vor allem, wenn man es weltweit getan hätte."
Laut Berechnungen hätte das acht Milliarden Euro allein in Deutschland bringen können – also viermal so viel wie die Ticketsteuer, rechnet Nicolas Lieven vor. Für den Vorschlag fanden sich aber weder in Deutschland noch in Europa, geschweige denn weltweit, Mehrheiten. Bedauerlich, sagt der Wirtschaftsjournalist.