Vom Bienenstock zu SkynetWie KI unsere kollektive Intelligenz verändert

Was lernen wir von der kollektiven Intelligenz eines Bienenvolks für Künstliche Intelligenz? Was lernen wir über uns? Der Informatiker Tim Landgraf über die Chancen von KI für unsere Kommunikation und unser Zusammenleben von morgen.

Die Debatte über Künstliche Intelligenz blickt oft auf die Risiken von KI – und das ist auch gar nicht schlecht so, weil es wichtig ist, diese Risiken im Blick zu haben. Allerdings: Die Chancen und unsere Gestaltungsmöglichkeiten kommen dabei oft zu kurz.

KI birgt Gefahren, aber auch Chancen

Das nötige Gefahrenbewusstsein sollte weder die Sicht auf die Möglichkeiten der KI versperren, noch ausblenden, dass diese technische Revolution ziemlich wahrscheinlich stattfinden wird – ob uns das jetzt passt oder nicht: "Unser ganzer Kommunikationsapparat wird KI-siert", ist der Informatiker Tim Landgraf sich sicher.

"Diese hybriden Netzwerke aus Menschen und KI-Agenten werden uns natürlich auch beeinflussen in unserem Denken, in unserem Funktionieren, in unserer Gesellschaft."
Tim Landgraf, Informatiker

Tim Landgraf forscht an der FU Berlin zu kollektiver Intelligenz und Biorobotik. Mit seinem Team entwickelt er innovative KI-Anwendungen, um komplexe soziale Systeme und kollektive Kommunikation zu untersuchen.

Sein Team verpasst etwa einem ganzen Bienenvolk QR-Codes und versucht dann mithilfe von Künstlicher Intelligenz, Muster in den Interaktionen der Tiere zu erkennen.

In einem anderen Projekt arbeitet sein Lab daran, mithilfe eines eingeschleusten Bienen-Roboters zu entschlüsseln, wie die Arbeiterinnen sich über Futterstellen austauschen.

"Ohne KI ist auch nicht alles toll. Es gibt auch Anwendungsfelder, in denen KI Vorteile bringen wird."
Tim Landgraf, Informatiker

Das zu verstehen, könnte ganz direkten praktischen Nutzen haben – etwa bei der Entwicklung vernetzter, kooperativer Ladelösungen für Elektroautos.

Aber die Forschenden versprechen sich noch mehr: Zu entschlüsseln, wie etwa Bienen oder Fischschwärme gemeinsam Futterstellen finden, könnte uns beispielsweise auch Hinweise darauf geben, wie Menschen demokratisch Entscheidungen treffen.

"Nicht nur unser Gehirn ist ein biologischer Rechner, sondern wir alle, weil wir vernetzt sind. Wir stellen ein Gehirn aus vielen Gehirnen dar. Wir berechnen etwas."
Tim Landgraf, Informatiker

In seinem Live-Hörsaal beleuchtet Landgraf die Transformation der Kommunikation von den Anfängen des Internets bis zum KI-Zeitalter. Im Fokus steht dabei der wachsende Einfluss algorithmischer Systeme auf Meinungsbildung, die Unsichtbarkeit der Grenze zwischen Mensch und Maschine sowie die neuen hybriden Kommunikationsnetzwerke aus Menschen und KI-Agenten.

Prognose: KI wird Experimente mit Menschen machen

Unter anderem sagt er voraus: Wenn eine KI mehr Daten über Menschen braucht – etwa weil sie unser Verhalten verstehen muss, um eine Aufgabe zu erfüllen – dann sei es nur die logische Konsequenz, dass sie irgendwann auch Experimente mit uns macht.

So wie wir jetzt mit Bienen und Fischen.

"Wir sind diesen Entwicklungen nicht machtlos ausgesetzt, wir müssen nicht nur zugucken."
Tim Landgraf, Informatiker

Tim Landgraf geht es neben Gefahren wie Manipulation und Vertrauensverlust vor allem auch um die Chancen von KI, etwa für Kooperation, Wissensvermittlung oder gesellschaftliche Innovation. Noch weiß keiner, wie KI auf unsere Gesellschaften wirken wird, sagt der Professor für Künstliche und Kollektive Intelligenz.

Aber die Wirkung muss nicht schlecht sein, glaubt er.

Tim Landgraf beim Hörsaal-Vortrag im Rahmen des Silbersalz Festivals 2025

KI, die uns lästige Aufgaben abnimmt, könnte uns damit ja auch mehr Raum für Reflektion geben und damit eine Selbstentwicklung des Menschen befördern, die wir ohne KI nicht hätten, überlegt er.

"KI ist ein Werkzeug. Wir können damit Schlechtes machen, wir können damit Gutes machen, wir können damit beides machen."
Tim Landgraf, Informatiker

Eine KI, die in unsere Kommunikationsnetzwerke als eine Art Übersetzerin oder Mediatorin eingebunden ist, könnte uns Menschen vielleicht auch dabei helfen, so zu kommunizieren, dass Streit vermieden und ein besserer Diskurs ermöglicht wird, so Tim Landgraf.

Wir müssen unsere Zukunft mit KI aktiv gestalten

Wie also nutzen wir KI so, dass sie unser Leben bereichert, anstatt es zu gefährden? Wir müssen uns mit dieser Entwicklung auseinandersetzen, mahnt er. Wir müssen forschen, um sie zu verstehen.

Und: Wir müssen Regeln definieren, die sicherstellen, dass sie mehr Vor- als Nachteile für uns hat.

"In der EU wird KI reguliert werden müssen. Es wird genau definiert werden, was ein autonomer Agent machen darf und was nicht."
Tim Landgraf, Informatiker

Tim Landgraf ist Professor für Künstliche und Kollektive Intelligenz am Dahlem Center for Machine Learning and Robotics der Freien Universität Berlin, wo er verschiedene Aspekte intelligenter Systeme lehrt und erforscht. In interdisziplinären Projekten untersucht sein Labor die individuelle und kollektive Intelligenz von Modellorganismen und entwickelt neue Werkzeuge und Algorithmen für maschinelles Lernen. Er ist zudem in der Start-up-Szene aktiv, betreut mehrere Berliner Start-ups als Mentor und berät Investoren in Technologiefragen.

Seinen Vortrag "Vom Bienenstock zu Skynet: Wie KI unsere kollektive Intelligenz verändert" hat er für den Hörsaal im Rahmen des Silbersalz Science & Media Festivals 2025 am 31. Oktober 2025 in Halle an der Saale gehalten.

Hörtipp: "KI verstehen", ein Podcast des Deutschlandfunks

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