ASMR und EssenWas wir fühlen, wenn andere schmatzen

Dennis ist Mukbang-Content-Creator: Er trägt dazu bei, dass andere entspannen – indem sie seinen Essensgeräuschen lauschen. Warum diese Art von ASMR-Videos so beliebt sind, erklärt Wahrnehmungspsychologe Claus-Christian Carbon.

Schon rund zehn Jahre lang gibt es ASMR-Videos. ASMR steht für Autonomous Sensory Meridian Response. Dabei werden mit hoch empfindlichen Mikrofonen Geräusche aufgenommen. Mal flüstert jemand ins Mikro, mal streicht jemand mit einer Feder darüber und bei den sogenannten Mukbang-Videos werden Lebensmittel verzehrt.

Schlürfend und schmatzend essen die Content-Creator ganz dicht am Mikro etwas, das einen möglichst interessanten oder typischen Sound verursacht und filmen sich dabei. Auch Dennis erstellt unter dem Pseudonym German Freak ASMR solchen Content. Fans dieser Videos schauen sie sich gerne an, weil sie sie in der Regel auch als entspannend empfinden.

Auf der Suche nach Entspannung auf ASMR gestoßen

Ursprünglich hat Dennis die ASMR-Videos entdeckt, weil auch er auf der Suche nach Entspannung war. Vor einiger Zeit war er arbeitslos, ein halbes Jahr lang auf Jobsuche und das Geld wurde langsam knapp, erzählt er unserem Moderator Dominik Schottner. All das bedeutete Stress für ihn. Er suchte im Netz nach etwas, womit er sich entspannen könnte und fand dabei ASMR-Videos.

Er war fasziniert von dem, was er sah und hatte die Idee, selbst solchen Content zu produzieren. Weil er zuvor schon für eigene Youtube-Kanäle Videos gemacht hatte, besaß er schon das notwendige Equipment, erzählt Dennis.

"Die ersten Videos ploppten vor zehn Jahren auf. ASMR ist immer noch super bekannt und hat sich als Genre etabliert. Die Leute nutzen es, um sich zu entspannen."
Content-Creator Dennis Hodel aka German Freak ASMR

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Schnell bekam er positives Feedback von User*innen und sein ASMR-Videokanal wurde in kurzer Zeit erfolgreicher als seine anderen Kanäle. Weil es diese Form von Content schon lange gibt, ist es für Dennis kein Trend mehr. Er sieht es eher als Genre und ein Tool, das viele nutzen, um sich zu entspannen.

Er selbst schaut ASMR-Content inzwischen nur noch, um sich Inspiration zu holen. Um herunterzukommen, nutzt er mittlerweile lieber Achtsamkeitstechniken.

"Letztes Jahr lief es sehr gut, dieses Jahr ist es mau. Ich wollte früher Vollzeit-Youtuber/ -Influencer werden. Das habe ich mir jetzt anders überlegt. Ich mach das weiter als Hobby."
Content-Creator Dennis Hodel aka German Freak ASMR

Essen im intimen Setting

Amüsant und interessant findet der Psychologe Claus-Christian Carbon Schlürf- und Schmatzgeräusche aus ASMR-Videos. Er hört diese relativ häufig, da er die Phänomene ASMR und Mukbang im Rahmen seiner Tätigkeit an der Uni Bamberg erforscht. Dass andere diese Sounds wiederum abstoßend oder eklig finden, hänge damit zusammen, was man mit den Geräuschen assoziiert, sagt der Wahrnehmungspsychologe.

"Da ist jemand mit dir, der mit dir isst. Das kann etwas sehr, sehr Angenehmes sein.
Claus-Christian Carbon, Psychologe

Dass in ASMR-Videos häufig geflüstert wird, kann dem Betrachter oder der Betrachterin ein Gefühl von Nähe vermitteln, sagt Claus-Christian Carbon. Etwas, was wir als schön oder angenehm empfinden können.

Durch die Inszenierung des Schmatzens wird aus dem Geräusch, was sonst möglicherweise ein unangenehmes Beiwerk ist, das, worauf wir uns beim Zusehen und -hören konzentrieren.

Dadurch, dass das Schlürfen und Schmatzen absichtlich in den Mittelpunkt gestellt wird, nehmen wir es anders wahr, als die Geräusche, die uns im Alltag stören könnten: Wenn beispielsweise ein Kollege beim Mittagessen in der Kantine laut schmatzt. Aus dem, was sonst eher Noise, also Lärm ist, wird durch die Inszenierung ein konkretes Signal, dem wir gerne lauschen, sagt der Psychologe Claus-Christian Carbon.