AufnahmezusageAus Afghanistan gerettet: Wer darf gerade nach Deutschland kommen?

Zehn Familien aus Afghanistan sind in Deutschland angekommen – sie waren in ihrem Heimatland in Gefahr. In Pakistan warten aber immer noch mehr als 2000 Afghanen mit deutscher Aufnahmezusage. Wie geht es mit ihnen weiter?

Ankunft und Abschied. Ein Flughafen kann ein emotionaler Ort sein. Am 1. September aber flossen besondere Freudentränen: 47 Menschen aus Afghanistan kamen am Flughafen Hannover an. Darauf mussten sie lange warten. "Ich bin so glücklich. Ich will mit meinen Kindern ein neues Leben aufbauen", sagte eine Mutter am Flughafen.

Auch Eva Beyer war dort. Sie arbeitet für die Hilfsorganisation Kabul Luftbrücke, die gefährdeten Menschen aus Afghanistan hilft. Sie erzählt: Am Flughafen war richtig viel los, mehr Presse als erwartet. "Es freut mich, dass die Welt da hinguckt, weil es zeigt, dass das Thema wichtig."

Einreise nach Klage

Zur Wahrheit gehört aber auch: Die Aufnahme von Menschen aus Afghanistan ist ein kontrovers diskutiertes Thema.

Doch wer ist da jetzt genau angekommen? Zehn Familien, insgesamt 47 Menschen, vor allem Frauen und Kinder. Sie befanden sich im Bundesaufnahmeprogramm. Sie hatten eine positive Aufnahmezusage und auf eine Einreise nach Deutschland geklagt – und Recht bekommen.

"Die Menschen haben unfassbare Angst."
Eva Beyer, Luftbrücke Kabul

In Pakistan sind derzeit noch rund 2300 Personen, die ebenfalls darauf warten, nach Deutschland kommen zu dürfen. "Die Menschen haben unfassbare Angst", erzählt Eva Beyer.

Denn in den vergangenen Wochen gab es Abschiebungen der pakistanischen Behörden nach Afghanistan. Dabei hat die Bundesregierung ihnen bereits zugestanden, dass sie gefährdet sind, erläutert Eva Beyer.

Union will so wenige Menschen wie möglich aufnehmen

Nachdem die Taliban vor vier Jahren die Macht in Afghanistan ergriffen hatten, gab es verschiedene Aufnahmeprogramme für gefährdete Menschen. Darunter sind Ortskräfte, die für die Bundeswehr tätig waren, aber auch Richter, Journalistinnen oder Wissenschaftler.

Laut Auswärtigem Amt wurden rund 48.000 Aufnahmezusagen für Menschen aus Afghanistan erteilt. Über 36 300 Afghaninnen und Afghanen sind nach Deutschland eingereist. Doch wie geht es für die anderen weiter?

Das politische Klima hat sich verändert

"Wir machen das, wozu wir rechtlich verpflichtet sind, aber keinesfalls mehr. Und dort, wo Aufnahmezusagen widerrufen werden können, da werden wir es auch tun", erklärte etwa Kanzleramtsminister Thorsten Frei von der CDU.

Das Medieninteresse an den ankommenden Afghanen war groß

Die Bundesregierung will also die Aufnahmeprogramme so weit wie möglich beenden. Das liegt an einem veränderten Klima, erklärt Deutschlandfunk-Hauptstadtkorrespondent Stephan Detjen. Ursprünglich wollte man Menschen, die sich in Afghanistan für Demokratie eingesetzt haben, nach Deutschland holen.

Menschen, die sich für Deutschland eingesetzt haben

"Da hat sich die politische Stimmung gedreht. Die neue Bundesregierung hat den Kurs in der Asyl- und Migrationspolitik vollkommen verändert", erläutert er. Dazu gehören neben Grenzkontrollen auch Abschiebungen nach Afghanistan.

Nach Afghanistan abschieben, aber gleichzeitig Menschen von dort einfliegen? Ein Bild, das die Bundesregierung offenbar nicht wollte. "Auch wenn es dabei um Menschen geht, die sich für Deutschland eingesetzt haben", sagt Stephan Detjen. Und für Werte, für die sich nicht zuletzt auch deutsche Soldaten eingesetzt – und teilweise mit dem Leben bezahlt – haben.

Die Fälle beschäftigen Gerichte

Das Ganze hat auch immer wieder Gerichte beschäftigt. Einerseits urteilten Gerichte, dass Menschen in mehreren Fällen rechtsverbindliche Aufnahmezusagen hatten – so wie die Afghanen, die jetzt ankamen.

Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg urteilte jedoch, dass in bestimmten Fällen ein rechtsverbindlicher Aufnahmeanspruch nicht eingelöst werden muss, bevor eine Sicherheitsüberprüfung durchgeführt wurde.

"Man wollte nicht das Signal, dass wir noch mehr Menschen auf Afghanistan holen."
Stephan Detjen, Deutschlandfunk-Hauptstadtstudio

Doch die finden aktuell gar nicht statt. "Die sind das Nadelöhr, und die verzögern sich weiter." Das liegt an unterschiedlichen Zuständigkeiten, aber nicht nur.

"Man wollte nicht das Signal, dass wir noch mehr Menschen auf Afghanistan holen", ergänzt Stephan Detjen. Das liege auch daran, wie Medien aus dem rechten Spektrum oder die "Bild" darüber berichten.

Kabul Luftbrücke will weiter klagen

"Gerade die 'Bild' hat da eine enorme Macht", sagt Stephan Detjen. "Weil man immer die Sorge hat, wenn die 'Bild' das macht, steigen rechte Medien drauf ein, dann wird es ein AfD-Thema und dann kann man sich gar nicht mehr wehren."

Er geht dennoch davon aus, dass weitere Menschen aus Afghanistan aufgenommen werden. Und was macht Kabul Luftbrücke? "Wir werden weiter klagen", sagt Eva Beyer. Die Organisation hatte gehofft, dass die Bundesregierung das nicht nötig machen würde. "Aber wenn das der Weg ist, den wir gehen müssen, dann gehen wir den."