PräsentismusWarum wir krank zur Arbeit gehen
Manche wollen die Kollegen und Kolleginnen nicht hängen lassen, andere bekommen kein Krankengeld. Es gibt viele Gründe, gut sind sie selten. Und trotzdem: Laut einer Umfrage gehen zwei von drei Personen krank zur Arbeit.
Wir wachen morgens auf und fühlen uns krank, aber eigentlich beginnt gleich die Arbeit. Das kann für manche ein schwieriger Moment sein: Sie haben gerade den Job gewechselt und wollen nicht direkt ausfallen. Oder ein wichtiger Termin steht an.
Krank zur Arbeit oder im Bett bleiben?
Wer krank zur Arbeit geht, kämpft vielleicht auch mit dem schlechten Gewissen. Vor allem, wenn man sich kurzfristig krankmeldet. Dann müssen Termine entfallen oder Kolleg*innen mehr arbeiten.
"Immer, wenn ich krank bin, müssen Termine abgesagt werden und Patient*innen kurzfristig abgesagt werden. Das ist schon immer echt blöd."
Janina ist angehende Psychotherapeutin. Wenn sie krank ist, brauchen ihre Patient*innen Ersatztermine. Das kann bis zu drei Wochen dauern. Deshalb plagt sie das schlechte Gewissen, wenn sie krank ist. Sie überlegt dann mehrfach, ob ihre Erkältung "schlimm" genug ist, dass sie die Termine absagt.
Für viele Selbständige ist Kranksein auch eine Frage des Geldes. Denn, wer keinen Anspruch auf Krankengeld hat, verdient dann kein Geld. Domenique ist selbstständige Grafikerin. Wenn sie krank arbeitet und dennoch was erledigen kann, denkt sie: "Ich hab es trotzdem geschafft, auch wenn es mir nicht gut ging."
Wer arbeitet trotz Krankheit, wird im Schnitt schneller wieder krank
Janina und Domenique sind nicht die einzigen, die manchmal arbeiten, obwohl sie gesundheitlich angeschlagen sind. In einer Umfrage des Deutschen Gewerkschaftsbundes, gaben fast zwei Drittel der Beschäftigten an, 2024 mindestens einen Tag trotz starker Krankheit gearbeitet zu haben. Der MDR berichtete über die Umfrage.
In der Umfrage ging es auch um die Gründe krank zur Arbeit zu gehen. Mehrfachnennungen waren möglich. 82 Prozent sagten, dass sie Sorge um ihren Arbeitsplatz haben. Für 78 Prozent war auch die hohe Arbeitsbelastung ein Grund und bei 81 Prozent das schlechte Betriebsklima
Erschöpfung droht
Was arbeiten trotz Krankheit den Arbeitgeber*innen bringt, ist eine andere Frage. Eine aktuelle Studie der Universitäten in Chemnitz und Groningen mit der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg zeigt: Krank zu arbeiten kann dazu führen, dass Arbeitnehmer*innen auch in den Wochen nach dem Kranksein noch deutlich erschöpfter sind.
"Dementsprechend sind sie tendenziell auch anfälliger, um wieder krank zu werden."
Wenn die Erschöpfung anhält, steigt das Risiko wieder krank zu werden. Der Präsentismus, so nennen Fachleute das Verhalten, krank zur Arbeit zu gehen, bringt den Unternehmen also keinen finanziellen Gewinn, so Nora Wilker. "Weil wir krank zwar anwesend, aber weniger leistungsfähig und weniger produktiv sind." Außerdem gibt es das Risiko, gesunde Kolleg*innen anzustecken.