Broke als StatusWarum tun wir so, als hätten wir kein Geld?
Wenn andere behaupten, kein Geld zu haben, aber nicht in finanziellen Schwierigkeiten stecken, ärgert das Malik total. Denn er weiß, wie es sich anfühlt, arm zu sein. Ein*e Sozialwissenschaftler*in erklärt: Wir hinterfragen Klassismus im Alltag oft nicht.
Nicht zu wissen, wie er seinen Semesterbeitrag bezahlen soll, sich zu fragen, ob das Geld noch für Lebensmittel reicht: Dieses Gefühl kennt Malik genau. Extra Nachtschichten zu schieben oder in der Studentenbude nach Gegenständen zu schauen, die er kurzfristig verkaufen kann, auch das zählt zu seinem Alltag.
"Arm sein ist kein Lifestyle. Arm sein ist wirklich scheiße."
Wenn andere, die nie gearbeitet haben, immer in den Urlaub fahren und vieles oder sogar alles von ihren Eltern finanziert bekommen, sagen, dass sie broke sind, ist das für Malik keine Art, respektvoll miteinander umzugehen.
Malik: "Armut cosplayen checke ich nicht"
Für Malik ist nicht nachvollziehbar, wieso manche so tun, als seien sie mittellos, wenn es sie nur einen Anruf an die Eltern kosten würde, falls sie tatsächlich in finanzieller Not wären. Arm zu sein, ist nicht cool, nichts, womit man kokettieren sollte, findet Malik.
Mit Reels über klassistisches und rassistisches Verhalten aufklären
Lange hat er sich dazu nicht geäußert, weil er sich von anderen, die eine andere Lebenswirklichkeit haben, nicht verstanden gefühlt hat. Gespräche mit anderen Kindern von Arbeitern haben ihm gezeigt, dass er mit seinen Erfahrungen nicht alleine ist. Inzwischen klärt Malik mit Reels auf Social Media über klassistisches und rassistisches Verhalten auf.
"Am Anfang meines Studiums habe ich gedacht, dass die Leute um mich herum auch kein Geld haben, weil sie die ganze Zeit gesagt haben, dass sie broke sind."
Denn viele, die gewisse Privilegien genießen, sind sich anscheinend nicht darüber bewusst, dass sie mit ihren klassistischen Äußerungen andere wie Malik verletzen, ausgrenzen oder diskriminieren können.
"Klassismus ist eine Diskriminierungsform, also ähnlich wie Rassismus oder Sexismus. Es ist die Diskriminierung aufgrund von Klassenherkunft. Das trifft Arbeiterkinder, erwerbslose oder wohnungslose Menschen."
Generationenforscher Rüdiger Maas sieht den Trend, der sich abzeichnet, sehr kritisch. Oft sind es Menschen, die einer gehobeneren Schicht entstammen, die behaupten, dass sie sich etwas nicht leisten können, es sich aber dennoch kaufen. Im Prinzip ist bei ihnen das Risiko nicht so hoch, sagt Rüdiger Maas, denn sie werden von ihren Eltern aufgefangen, wenn das Geld knapp wird.
Was er besonders kritisiert, ist, dass es oft ironisch oder sarkastisch daherkommt, wenn solche Menschen äußern, kein Geld zu haben, aber eigentlich finanziell gut aufgestellt sind.
Trash-Partys, wenn wir uns zum Spaß als arm darstellen
Vielen ist im Prinzip nicht klar, was arm sein bedeutet, sagt Malik. Sie romantisieren diesen Lebensstil völlig. Laut aktuellem Armutsbericht gelten in Deutschland rund 13 Millionen Menschen in Deutschland als arm.
Auf Trash-Partys verkleiden sich Menschen als arme Leute. Auch das ist eine Form der klassistischen Diskriminierung, die wir oft hinnehmen oder gar nicht als solche wahrnehmen.
Francis Seeck, Professor*in für soziale Arbeit, empfiehlt: Hinterfragen, welchen sozialen und sozioökonomischen Background wir haben, welcher Schicht wir uns zuordnen. Das hilft möglicherweise dabei, den eigenen Status besser wahrzunehmen und macht uns vielleicht bewusster, wenn wir andere unbewusst diskriminieren.