Gerichtsanhörung in NeuseelandNach Attentat in Christchurch: Die Opfer haben das Wort – nicht der Täter

In den nächsten Tagen übergibt Neuseeland den Opfern des Anschlags vom 15. März 2019 und ihren Angehörigen das Wort. An dem Tag hatte ein Attentäter in zwei Moscheen in Christchurch gezielt 51 Muslime getötet. Nachdem der Attentäter seine Schuld im März 2020 gestand, soll voraussichtlich am Donnerstag (27.08.2020) das Strafmaß verkündet werden.

Über 60 der Opfer und Angehörigen möchten den Attentäter von Christchurch mit Statements konfrontieren, die sie am High Court verlesen. Drei Tage sind dafür angesetzt.

Den Auftakt der Anhörung beschreibt Journalistin Alexandra Falk als unglaublich emotional. Ungefähr 230 Betroffene haben den Prozesstag mit ihren Familien im Gerichtssaal vor Ort begleitet. Denn das Attentat hat eine ganze Gemeinde von Muslimen in Neuseeland erschüttert, sagt sie.

"Die Opfer und Hinterbliebenen wollen dem Attentäter in die Augen schauen und ihm ihre Meinung sagen."
Alexandra Falk, arbeitet als Journalistin in Neuseeland und ist in Christchurch bei der Gerichtsanhörung dabei

Die Gerichtsanhörung findet daher unter strengen Sicherheitsmaßnahmen satt: Die Straßen in Christchurch sind mit schweren Betonpfeilern abgesperrt, auf den Dächern sind Scharfschützen positioniert und vor dem Gerichtsgebäude stehen Polizisten mit Hunden, berichtet die Journalistin. Sie sollen für Sicherheit sorgen.

Neuseeland zeigt Solidarität

Neuseeland möchte den Opfern und Hinterbliebenen helfen, den Anschlag vom 15. März 2019 zu verarbeiten und abzuschließen. Dazu gehören auch die kommenden Tage: Die neuseeländische Regierung hat veranlasst, Ihnen eine Plattform zu geben, um gehört zu werden. Wie lange die Rednerinnen und Redner ihre Statements halten, ist ihnen überlassen, so Alexandra Falk. Wie auch im vergangenen Jahr nach dem Attentat gehe es der neuseeländischen Regierung um die Opfer, nicht um den Täter. Neuseeland zeigt Solidarität.

"Neuseeland versucht, den Opfern zu helfen, mit dem Anschlag abzuschließen."
Alexandra Falk, arbeitet als Journalistin in Neuseeland und ist in Christchurch bei der Gerichtsanhörung dabei

Der Attentäter hingegen habe weder Interesse für die Reden der Sprecherinnen und Sprecher gezeigt noch Reue, schildert die Journalistin ihren Eindruck. Aufgehorcht habe er allerdings, als die Mutter eines der Opfer zu ihm gesprochen hat. In ihrer Rede sagte die Mutter, deren Sohn der Attentäter getötet hat, sie habe dem Täter vergeben. Geholfen habe ihr dabei der muslimische Glaube.

"Da hat er sich tatsächlich umgedreht und stumm genickt. Das scheint erst mal keine große Reaktion zu sein, aber es war zumindest eine Reaktion seinerseits", sagt Alexandra Falk.

Erster Mordprozess seiner Art in Neuseeland

51-facher Mord, 40-facher versuchter Mord und ein terroristischer Akt: So lautet die Anklageschrift. Experten schätzen, das Gericht wird den Täter zu einer lebenslänglichen Haftstrafe ohne Bewährung verurteilen. Das ist ein Mordprozess, den es in Neuseeland so noch nicht gab, erklärt die Journalistin. Am Donnerstag soll das Urteil feststehen.