Streit ums ErbeWarum die Reform der Erbschaftssteuer spaltet

Wenn jemand stirbt, geht es um Trauer – und oft ums Erbe. In den meisten Fällen erbt der Staat über die Erbschaftsteuer mit – wären da nicht zahlreiche Schlupflöcher. Marcus und Bo klären, ob dieses System ungerecht ist. Oder sogar verfassungswidrig.

Die Erbschaftsteuer besteuert nicht das Vermögen an sich, sondern den Übergang: Wenn Vermögen vererbt wird, schaut der Staat hin und nimmt sich einen Anteil. Dabei gibt es für enge Angehörige festgelegte Freibeträge: Nur was darüber liegt, wird besteuert.

Parallel dazu gibt es aber Sonderregeln für Betriebsvermögen, also zum Beispiel Firmenanteile. Unter bestimmten Bedingungen kann ein großer Teil dieses Vermögens von der Steuer verschont bleiben. Genau an dieser Stelle wird es kompliziert – und politisch brisant.

Streitpunkt: Sonderregeln für Betriebsvermögen

Die Kölner Steuerrechtlerin Johanna Hey beschreibt, warum das deutsche System in eine Schieflage geraten ist:

"Wir haben sehr hohe Tarife, 30 bis 50 Prozent. Es ist völlig klar, dass sie die etwa gegenüber Unternehmensvermögen nicht durchsetzen können und wollen. Und dadurch kommen die Schwierigkeiten."
Johanna Hey, Professorin für Steuerrecht, Universität zu Köln 

Auf dem Papier gibt es zwar hohe Steuersätze, doch in der Praxis werden sie bei großen Unternehmensvermögen durch Ausnahmen und Gestaltungen häufig so weit abgefedert, dass die Steuer kaum noch greift.

"Dummensteuer" und "Sandwichsteuer"

Steuerrechtlerin Johanna Hey findet für die aktuell geltende Erbschaftsteuer deutliche Worte.

"Die aktuell geltende Erbschaftsteuer ist eine echte Dummensteuer."
Johanna Hey, Professorin für Steuerrecht, Universität zu Köln 

Damit meint sie: Wer sehr hohe Vermögen vererbt und sich rechtzeitig beraten lässt, kann mit Stiftungen und Sonderregeln oft einen Großteil der Erbschaftsteuer vermeiden. Wer das nicht tut oder sich diese Gestaltung nicht leisten kann, zahlt den regulären Erbschaftssteuersatz. Heißt: Nur vermeintlich "dumme" Superreiche würden somit den vollen Betrag bei der Steuer zahlen.

Darüber hinaus sei die Erbschaftsteuer eine "Sandwichsteuer". Ganz unten schützen Freibeträge kleinere Erbschaften, ganz oben helfen Gestaltungen und Ausnahmen. Dazwischen, im "Sandwich" aus mittleren und gehobenen Vermögen, werde dagegen vergleichsweise kräftig besteuert – also genau dort, wo der Mittelstand mit zum Beispiel einem Haus, einer Wohnung oder einer kleinen Firma liegt.

Wie eine Reform aussehen könnte: Das Flat-Tax-Modell 

Dabei ist die eigentliche Idee hinter der Erbschaftsteuer eine Vermögensumverteilung.

"Man möchte die Vermögensumverteilung angehen. Dann sollte es doch so sein, dass die Erbschaftsteuer-Zahlung mit dem Vermögen auch wirklich ansteigt. Und das erreicht man momentan nicht aufgrund all dieser Ausnahmeregelungen."
Dominika Langenmayr, Professorin für Wirtschaftswissenschaften, Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt 

Dominika Langenmayr ist Ökonomin und beschäftigt sich mit Unternehmen und ihrer Besteuerung. Natürlich wolle niemand, dass Unternehmen in der Substanz bedroht werden. Gleichzeitig gebe es aber durchaus Möglichkeiten für eine sinnvolle Reform der Erbschaftsteuer, sagt sie.

Langenmayrs Reformvorschlag: ein Flat-Tax-Modell. Dieses sieht vor, dass die Ausnahmen radikal zurückgefahren werden und es dafür einen deutlich niedrigeren, einheitlichen Steuersatz von zehn Prozent auf alle Erbschaften gibt. Hinzu käme ein hoher Freibetrag von über einer Million Euro, der normale Erbschaften schützt.

In dieser Folge What the Wirtschaft?! sprechen Marcus und Bo über das emotional aufgeladene Thema Erbschaftssteuer. Dabei geht es für die beiden von Steuer-Instagram über den Milliardenfall Heinz Hermann Thiele und Familienstiftungen hin zu "Dummensteuer", "Sandwichsteuer" und dem Bundesverfassungsgericht. Zwischen Familienerbe und Verfassungsfragen wollen die beiden wissen: Wie gerecht ist die Erbschaftssteuer eigentlich und wen trifft sie wirklich?