Gemälde als WahlplakatAfD präsentiert Orientalismus-Fantasie als Wirklichkeit

Die Partei Alternative für Deutschland (AfD) hat das Gemälde "Le Marché d'esclaves" - auf Deutsch "Sklavenmarkt im Orient" – aus dem kunsthistorischen Zusammenhang gerissen und nutzt es für ein Plakat im Vorfeld der EU-Wahlen.

Zu sehen sind orientalisch aussehende Männer, die eine nackte, weiße Frau "begutachten" oder untersuchen. Das Bild soll den Eindruck erwecken, dass eine Frau von jemandem zum Kauf angeboten wird. Die abgebildeten Männer interessieren sich für sie als Ware. Auf dem Plakat steht: "Aus Europas Geschichte lernen. Damit aus Europa kein "Eurabien" wird!".

Dieser Embed kann leider nur direkt auf der Webseite von Deutschlandfunk Nova angezeigt werden.

Der französische Maler Jean-Léon Gérôme hat das Gemälde 1866 gemalt, das heute im Clark Art Institute in Massachusetts hängt. Das Museum hat die AfD inzwischen aufgefordert, die Plakate mit dem Gemäldemotiv abzuhängen. Denn der Maler hat keine realistische Szene abgebildet, die er so im "Orient" beobachtet hat. Ganz im Gegenteil hat er aus seiner Fantasie heraus eine Szene entworfen, die ihm Gelegenheit bot, einen nackten Frauenkörper zur Schau zu stellen. Eine für den damaligen Geschmack erotische Szene.

"Die Frauen waren immer die Objekte der Begierde. Ein toller Vorwand, mal wieder nacktes Fleisch zu malen."
Stefan Koldehoff, Deutschlandfunk-Kulturredaktion

Die konservativen Maler setzten damals den Impressionisten eine neue Bildwelt mit orientalischen Motiven entgegen – ohne zu wissen, wie es im "Orient" überhaupt ausgesehen hat. Die Stilrichtung wird Orientalismus genannt. Jean-Léon Gérôme selbst sei gerade mal bis in die Türkei oder Ägypten gereist, sagt Stefan Koldehoff, Kulturredakteur beim Deutschlandfunk.

AfD bedient sich der Stimmungsmache aus dem 19. Jahrhundert

Der Maler hat damals mit seinem Bildmotiv Klischees und Vorurteile bedient. Die Männer sollen böse und gefährlich, die Frau dagegen als Opfer wirken. "Mit dem Bild wurden ganz bestimmte Stimmungen erzeugt." Und diese Stimmungen nutzt die AfD heute wieder für ihren EU-Wahlkampf.

"Die AfD nutzt genau die Stimmung der "bösen Orientalen" und der "armen, hilflosen, weißen europäisch aussehenden Frau", die nur noch Objekt ist".
Stefan Koldehoff, Deutschlandfunk-Kulturredaktion

Stefan Koldehoff kennt auch die erste Plakatversion, die auf die Kölner Silverstereignisse 2015/16 Bezug genommen hat in dem Sinne: "Es gibt die bösen Männer aus dem Fernen Osten, die unseren weißen Frauen hier im Westen etwas ganz Böses wollen. Und das müssen wir als AfD verhindern".

Wie eine Lüge entsteht

Das gefährliche an der Behauptung der AfD sei, dass sie den Betrachtern vormacht, diese Szene hätte es so in Wirklichkeit gegeben, dass sich Männer im Osten schon immer so verhalten hätten und das müsse für die Zukunft verhindert werden, analysiert Koldehoff.

"Die AfD behauptet, das Gemälde ist historische Wirklichkeit, und das ist schlicht eine Lüge."
Stefan Koldehoff, DLF-Kulturredaktion

"Dass das alles eine Fantasieszene ist, bestenfalls eine sexuelle Fantasie für den Kunstmarkt der damaligen Zeit, und vielleicht auch politisch gefärbt ist, um Fremdenangst zu schüren, das verschweigt die AfD", kritisiert Stefan Koldehoff.