Hugo aus BrasilienVon der Favela in Rio als Krankenpfleger an die Charité

Hugo ist von Brasilien nach Deutschland gekommen, um hier als Krankenpfleger zu arbeiten. Ohne Menschen wie ihn würde die Pflege zusammenbrechen. Bisher hat er das Gefühl, seine Arbeit wird wertgeschätzt. Aber er sieht auch die Herausforderungen.

Das große Anatomie-Poster in Hugos Wohnung ist voller bunter Klebestreifen: am Ellenbogen, Fuß, Nacken, Hals und an der Nase stehen die deutschen Begriffe für die einzelnen Körperteile.

Vor drei Monaten ist Hugo von Rio de Janeiro nach Berlin gezogen, um als Krankenpfleger an der Charité zu arbeiten. Fachkräfte wie er werden in der Pflege dringend gebraucht. Der Deutsche Pflegerat ging zuletzt davon aus, dass sich die Zahl der fehlenden Pflegekräfte bis 2034 auf 500.000 erhöhen könnte. Schon jetzt würden 115.000 Fachkräfte in Vollzeitstellen fehlen.

Deutschland wirbt deshalb auch im Ausland an. Fast jede fünfte Pflegekraft kommt mittlerweile aus einem anderen Land. Hugo hat über eine Freundin von dem Anwerbeprogramm erfahren und sich beworben.

Neues Leben in Berlin

Fachlich ist er fit. In Brasilien hat er schon fünf Jahre als Krankenpfleger gearbeitet. Er ist stolz, dass er jetzt eine neue Stelle an der bekannten Charité hat.

Hugo ist in Rio de Janeiro in einer Favela aufgewachsen. Das sind Viertel, die sich in Brasilien häufig an den Hügeln der Großstädte befinden. Sie sind Orte mit einer starken Kultur und Gemeinschaft. Aber auch Bandenkriminalität, Drogenhandel und Armut gehören dort zum Alltag.

"Ich habe mein Leben lang mit meinen Eltern und meinen Geschwistern in der Favela gewohnt. Dass ich als Schwarzer aus einer Favela da bin, wo ich heute bin, ist ein Riesenerfolg für mich."
Hugo, Krankenpfleger, ist von Rio de Janeiro nach Berlin gezogen

Ein Stück Rio hat Hugo auch nach Berlin gebracht. Im Regal steht ein Foto seiner Eltern und dort liegt auch das Trikot seiner Lieblingsfußballmannschaft Flamengo. Über seinem Bett hängt die grün-gelbe brasilianische Flagge. Gerade ist er noch dabei, sich in Berlin einzugewöhnen. Dafür macht er einen Sprachkurs, damit er sein Wissen aus dem Portugiesischen ins Deutsche übersetzen kann.

Willkommen in Deutschland?

Mit der deutschen Bürokratie, wie der Anerkennung seiner Dokumente, hat ihn die Charité unterstüzt. Hugo musste auch einige Male zum Amt gehen und dort vor allem viel Geduld mitbringen. Einige der notwendigen Papiere hat er per Brief erhalten – aus Brasilien kennt er das anders, dort läuft vieles digital. "An meinem zweiten Tag mussten wir zur Bank gehen, um unser Konto zu eröffnen, damit wir anschließend eine Handynummer beantragen konnten. Dafür mussten wir auf vier Briefe warten, die uns per Post geschickt wurden", erzählt er.

"Wir kommen hierher, um zu helfen, nicht um jemandem den Platz wegzunehmen. Ich habe mich schon mal schlecht gefühlt, als ich in einem überwiegend weißen Umfeld als schwarze Person anders angeguckt wurde."
Hugo, Krankenpfleger, über Rassismus-Erfahrungen in Deutschland

Hugo ist gespannt auf die nächste Zeit und auf das, was kommt. Aber er hat in den vergangenen Wochen auch schon Situationen erlebt, die andere ausländische Pflegekräfte dazu bewegen, Deutschland wieder zu verlassen, wie Rassismus. "Ich habe mich schon mal schlecht gefühlt, als ich in einem überwiegend weißen Umfeld als schwarze Person anders angeguckt wurde. Wir kommen hierher, um zu helfen, nicht um jemandem den Platz wegzunehmen", sagt Hugo.

Keine Pflege ohne ausländische Fachkräfte

Die Zahl der Pflegekräfte aus dem Ausland steigt. Ohne sie würde die Pflege vor großen Problemen stehen. "Das Beschäftigungswachstum in den Pflegeberufen wird bereits seit drei Jahren nur noch durch ausländische Beschäftigte getragen. Das sind zunehmend Pflegekräfte aus sogenannten Drittstaaten", erklärt Alexander Wilhelm von der Bundesagentur für Arbeit.

Trotzdem denkt jede*r Vierte von ihnen darüber nach, wieder wegzuziehen. Um sie zu halten, braucht es ein ganzheitliches Integrationskonzept, fordert Lisa Peppler. Sie ist Expertin für Diversität im Gesundheitswesen und sie weiß, wo es gerade hakt: Es müsse etwa besser laufen bei den Anerkennungsverfahren. Diese sollten beschleunigt und digitalisiert werden. Auch was die Sprachförderung angeht, sieht sie Luft nach oben. Hier hält sie es für wichtig, die Förderung auf die einzelnen Personen anzupassen, sie also individuell zu gestalten. "Nicht jeder lernt im gleichen Maße eine neue Sprache", sagt sie.

Hugo übt derweil weiter mit seinen bunten Klebenotizen an seinem Anatomie-Poster und in einem B2-Deutschkurs. Er denkt auch schon an den kommenden Winter in Berlin und freut sich, dann zum ersten Mal Schnee zu sehen.