Produkte für FrauenFemtech-Unternehmen: Unterfinanziert und unterschätzt

Obwohl Femtech-Unternehmen mit ihren Produkten die Hälfte der Menschheit ansprechen, fällt es ihnen schwer, Investoren zu finden. Die Berührungsängste von Männern mit Produkten für Frauen sind eine Ursache.

Tampons mit einem Bluetooth-Sensor, innovative Periodenunterwäsche oder Zyklus-Apps mit Thermometer – in der Femtech-Branche hat sich in den letzten Jahren einiges getan. Die amerikanische Unternehmensberatung Frost & Sullivan geht davon aus, dass das Marktpotenzial bis 2025 auf umgerechnet gut 40 Milliarden Euro steigen wird.

Auch die Investitionen in Femtech-Unternehmen sind in den letzten Jahren stark gestiegen: Vor zehn Jahren haben Investoren 45 Millionen Euro in die Branche gesteckt, letztes Jahr waren es bereits 700 Millionen. Was erst mal nach viel klingt, wird schnell relativiert, wenn man sich die Investitionen in Fintech-Unternehmen, also jungen Finanzunternehmen, anschaut: Hier wurden 2019 fast 30 Milliarden Euro investiert. Die Gründe, warum Femtech-Unternehmen nicht so stark gefördert werden, sind komplex.

Kein Verständnis für Frauen-Produkte

Die Zurückhaltung bei Investitionen in Femtech-Unternehmen liegt zum einen daran, dass "viele Männer die Relevanz der Produkte nicht sehen", aber diejenigen sind, die normalerweise das meiste Geld in Start-ups stecken, sagt die Wirtschaftsjournalistin Katja Scherer.

"Viele, die Geld in Start-ups investieren können, sind einfach immer noch Männer. Aber sie haben offenbar kein großes Interesse, sich mit solchen Themen zu beschäftigen.“
Katja Scherer, Wirtschaftsjournalistin

Diese Erfahrung hat beispielsweise die Gründerin Lina Wüller gemacht. Sie hat zusammen mit ihrer Schwester das Start-up Ovy gegründet und eine App und zusätzlichem Spezialthermometer entwickelt, mit denen Frauen über ihre Körpertemperatur ihre fruchtbaren Tage bestimmen können.

Bei einem Gespräch mit einem Investor haben sie ihm eine halbe Stunde lang ihr Produkt erklärt und ihm probehalber einen der Thermometer dagelassen. Nach dem Gespräch fragte der Investor, "was er mit diesem Fieber-Thermometer jetzt soll", erzählt Lina Wüller. Der Investor hatte das Produkt nicht einmal verstanden.

Berührungsängste von Männern

Auch Kristine Zeller vom Start-up Ooia hat eine ähnliche Erfahrung gemacht. Ihr Team entwickelt Unterwäsche, die bei der Periode die Blutung aufsaugt und somit als Ersatz für Tampons oder Binden dienen kann. Als sie ihr Produkt in der Fernsehsendung "Die Höhle der Löwen" vorgestellt habe, sagte ihnen einer der männlichen Investoren, dass er sich nicht am Produkt beteiligen möchte, da er als Mann nicht die richtige Expertise für das Produkt besitze.

"Wir hatten ein interessantes Erlebnis mit Herrn Maschmeyer. Das ist ja einer der Investoren dort. Der eben gesagt hat, er möchte sich nicht beteiligen, weil er als Mann ja gar nicht richtig beratend zur Seite stehen könnte."
Kristine Zeller, Gründerin des Start-Ups Ooia

Würde es also mehr Investorinnen geben, die die Produkte an sich verstehen und deren Bedarf in der Gesellschaft erkennen, könnte das den Femtech-Start-ups deutlich helfen, sagt Katja Scherer.

Gründerinnen wird weniger zugetraut

Ein weiterer Grund für die zurückhaltenden Investitionen in Femtech-Unternehmen ist: Sie werden häufig von Frauen gegründet. Frauen bekommen aber nicht nur in der Femtech-Branche, sondern allgemein weniger Kapital als Gründer. Laut Studien liegt das zum Teil daran, dass Gründerinnen weniger zugetraut wird als ihren männlichen Mitstreitern. Investoren sollten sich deshalb grundsätzlich mehr an dem Know-how von Gründerinnen und Gründern orientieren als an deren Geschlecht, sagt Katja Scherer.

"Investoren sollte sich grundsätzlich mehr an der Expertise von Gründern orientieren und nicht am Geschlecht."
Katja Scherer, Wissenschaftsjournalistin

Frauen streben kein exponentielles Wachstum an

Warum Gründerinnen weniger Kapital bekommen liegt allerdings auch daran, dass sie teilweise weniger nach Kapital suchen als die männlichen
Kollegen. Denn meistens streben sie gar kein exponentielles Wachstum mit ihrem Unternehmen an. Charlotte von Bernstorff, Personalpsychologin an der Business-School in Berlin erklärt es sich so: Wer auf ein exponentielles Wachstum aus ist, muss sich mit seinem Start-up über Jahre Tag und Nacht beschäftigen. Frauen, die sich nebenher noch um ihre Kinder kümmern oder beispielsweise den Haushalt schmeißen müssen, können sich diese Art des Arbeitens kaum erlauben.

"Wenn man sich überlegt, was Gründer tun müssen, die ein Unternehmen gründen, das auf exponentielles Wachstum ausgerichtet ist: Da sind sie jahrelang Tag und Nacht beschäftigt."
Charlotte von Bernstorff, Personalpsychologin an der Business-School in Berlin

Damit es für Frauen überhaupt erst attraktiv wird, im großen Stil zu gründen, müsste es auch mehr Unterstützung für den Alltag geben, wie beispielsweise eine Kinderbetreuung, sagt Lina Wüller von Ovy.