Französisch-GuayanaAuf der Brücke von Frankreich nach Brasilien

Einer der seltsamsten Flecken, von dem aus sich die Bedeutung Europas beobachten lässt, ist Französisch-Guayana in Südamerika: Eine Lehrerin in Brasilien verdient etwa ein Fünftel von dem, was eine Putzkraft im europäischen Nachbarland bekommt. Eine Brücke soll Europa und Brasilien miteinander verbinden. Sie gibt es schon, doch niemand geht darauf.

Europa direkt neben Brasilien? Das geht. Das Departement Französisch-Guayana liegt im Nord-Osten Südamerikas, gehört aber zur Europäischen Union. Genau dort grenzt also die EU an Brasilien.

"Dieses Überseedepartement mit der Nummer 973 ist einer der skurrilsten Orte, um Europa zu betrachten. Der perfekte Ort, um alles das, was man tagtäglich als gegeben hinnimmt und was eindeutig Europa zu verdanken ist, wirklich schätzen zu lernen."
Vera Pache

Vera Pache will an die Grenze zwischen der EU und Brasilien. Die Gendarmerie hält sie an. Mit ihrem deutschen Personalausweis wird sie sofort weiter gewinkt, ein Brasilianer wird mitgenommen.

Es gibt zwar eine Brücke, die Frankreich mit Brasilien verbindet, sie ist aber noch nicht in Betrieb. Also nimmt Vera das Boot. Und fährt von der Europäischen Union über den Fluss Oyapock direkt nach Brasilien.

Die Unterschiede werden schnell deutlich: Die Häuser sind bunter, die Straßen schlechter und mit zehn Euro - umgetauscht in brasilianische Real - kann Vera hier zwei ultrasüße Milchkaffees, einen Liter Bier und eine etwa halbstündige Taxifahrt bezahlen. Dem ersten Mann, der Vera anlächelt, fehlt ein Schneidezahn. Eine allgemeine Krankenversicherung gibt es hier nicht, schon gar keine, die den Zahnarztbesuch einschließt.

Zurück muss Vera wieder mit dem Boot fahren. Dass da eine fertige Brücke steht, die nicht benutzt werden darf, erscheint irgendwie absurd. Aber es ist noch nicht alles geregelt. Europäer, die nach Brasilien einreisen wollen zum Beispiel, brauchen kein Visum. Umgekehrt benötigen Brasilianer eins. Der Reichtum in Europa lockt. LKW-Fahrer sind hier versichert, es gibt ein Gesundheitssystem, und man kann das Leitungswasser trinken. Einmal über den Fluss, in Brasilien, ist vieles anders.