Gegen EU-KursKlaut Russland die Wahl in Moldau?
Die Parlamentswahl am Wochenende ist für das kleine Moldau entscheidend: Geht das Land weiter in Richtung EU oder doch Richtung Russland? Wie Pro-Europäer auf ihre Zukunft schauen – und wie Russland versucht, die Wahl zu beeinflussen.
Die Republik Moldau ist für die Europäische Union und die Ukraine – aber auch für Russland – strategisch wichtig. Das kleine Land, flächenmäßig in etwas so groß wie Nordrhein-Westfalen, teilt sich eine 1.000 Kilometer lange Grenze mit der Ukraine. Seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine hat die Republik die meisten Geflüchteten aus dem Nachbarland aufgenommen.
Am 3. März 2022 stellte Moldau den Antrag auf Mitgliedschaft in der EU, eine Woche nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine. Seit 2024 laufen die EU-Beitrittsverhandlungen. Aber nicht alle in dem Land sind auf EU-Kurs. Da gibt es die abtrünnige Region Transnistrien, die unter starkem Einfluss Russlands steht und wo sogenannte Grenzschützer aus Russland stationiert sind, und die pro-russischen Oppositionsparteien, die den EU-Kurs des Landes ändern wollen, sollten sie an die Macht kommen.
Die Sorge, dass das pro-russische Lager gewinnt, ist berechtigt, denn in der Vergangenheit hat Russland durch Stimmenkauf versucht, Einfluss auf Wahlentscheidungen zu nehmen: Bei der Präsidentschaftswahl 2024 und dem zeitgleich abgehaltenen Referendum über den EU-Beitritt als Verfassungsziel. Laut Staatspräsidentin Maia Sandu gab es den Versuch, bis zu 300.000 Stimmen zu kaufen.
Bei den letzten Parlamentswahlen 2021 holte die liberale und pro-europäische "Partei der Aktion und Solidarität" die absolute Mehrheit im Parlament. Nun wird es bei den Parlamentswahlen am 28. September zu einer erneuten Abstimmung über den pro-europäischen Kurs kommen.
Wie sich die Russlands Einfluss zeigt
Sollten die pro-russischen Parteien gewinnen, würde die Journalistin Ruxanda Spartari womöglich Moldau verlassen.
"Wir wollten eigentlich unser Haus renovieren, warten jetzt aber noch die Ergebnisse der Wahl ab, weil wir darüber nachdenken, falls das Land sich in eine schlechte Richtung bewegt und zum Beispiel Gesetze geändert werden, dass wir eventuell das Land verlassen müssen."
Ruxanda Spartari lebt mit ihrer Familie in der Hauptstadt Kischinau. Auch ihre Freund*innen machen sich Sorgen um den politischen Kurs im Land. Insgesamt nimmt sie die Stimmung im Land als sehr angespannt wahr.
Die Themen Geldwäsche und Stimmenkauf werden aktuell besonders stark diskutiert, sagt die Journalistin. Grund seien auch Berichte von Investigativjournalist*innen, die sich in kriminelle Organisation einschleusen konnten und so Verbindungen bis in den Kreml nachgewiesen hätten. Ziel des Kreml sei es, in Moldau Desinformationen zu verbreiten, Menschen für sich zu gewinnen und so einen Wahlsieg der pro-russischen Parteien zu erreichen.
"Russland versucht unabhängige Berichterstattung aus dem Land unmöglich zu machen."
ARD-Korrespondent Björn Blaschke kennt sich gut mit der russischen Einflussnahme aus. Eigentlich hat er seinen Sitz in Moskau, doch ihm wird inzwischen die Einreise verweigert. Deshalb hat er sein ARD-Studio in Tiblisi, Georgiens Hauptstadt eingerichtet. Aktuell ist er in Moldau, um über die Parlamentswahl zu berichten.
Die Desinformationskampagnen aus Russland in Moldau verliefen auf verschiedenen Ebenen. Es wurden regelrechte "Trollfarmen" eingerichtet, sagt der ARD-Korrespondent. Dort produzierten Hunderte von Menschen Tiktok-Videos, Facebook- und Telegram-Posts, um die Stimmung im Land pro-russisch zu beeinflussen.
Gespaltene Bevölkerung
Bei den letzten Wahlen, die Präsidentschaftswahl 2024 und die Abstimmung über den EU-Beitritt als Verfassungsziel, sei die Lage schon angespannt gewesen und die Wahl der Präsidentin Maia Sandu (51 Prozent der Stimmen) und die über das Verfassungsziel sind sehr knapp entschieden worden. "Dieses Jahr wird es wahrscheinlich noch knapper", meint Björn Blaschke.
Der Schlagabtausch zwischen dem pro-europäischen und dem pro-russischen Lager bestimmte die politischen Debatten und den Wahlkampf, sagt der Korrespondent. Es heiße, dass 70 Prozent der Bevölkerung in die EU wollten. Die Wahlergebnisse aus dem letzten Jahr sind aber deutlich knapper ausgegangen. Das legt nahe, dass die beiden politischen Lager in der Bevölkerung gleich starke Zustimmungswerte haben.
Björn Blaschke glaubt, dass diese Spaltung in der Bevölkerung mit einer großen Unzufriedenheit zu tun hat. Zu dieser haben die Corona-Krise und zwei Dürrejahre und Ernteausfälle beigetragen. Rund 70 Prozent der Bevölkerung in Moldau leben von der Landwirtschaft, sagt der Korrespondent. Hinzu kämen gestiegene Gaspreise. Unterm Strich sei die Bevölkerung in den vergangenen Jahren verarmt, fast ein Drittel der Bevölkerung lebe in absolute Armut.
"Eigentlich sind viele Leute für einen Beitritt der EU, machen aber der Regierungspartei und Präsidentin Sandu Vorwürfe, obwohl die für viele Krisen gar nichts können."
Sollten die pro-europäischen Parteien nicht die Mehrheit erlangen, müssten sie dann eine Koalition mit den pro-russischen Parteien bilden. Dann würde eine schwierige und möglicherweise langwierige Phase der Regierungsbildung beginnen, und das könnte auch für die pro-europäische Präsidentin Sandu schwierig werden.