JobWann sollten wir kündigen?

Der Chef nervt, die Kollegen sind unzuverlässig, wir haben zu viel zu tun und kommen immer gestresst von der Arbeit nach Hause. Es gibt viele Gründe, den Job zu kündigen. Aber wann muss das wirklich sein? Und ist es in diesen Zeiten sinnvoll?

Marica hat als Erzieherin gearbeitet. Sieben Jahre hat sie den Job gemacht. Irgendwann hat sie sich damit aber nicht mehr wohlgefühlt und gekündigt. Der springende Punkt war für sie, dass ihre Gesundheit unter der Arbeit gelitten hat.

Wenn der Job auf die Psyche geht

Marica ist immer wieder krank geworden und wusste anfangs gar nicht, warum, sagt sie: "Man schleppt sich dann nochmal zur Arbeit, aber es ging nie richtig weg, und dann ging das auch irgendwann auf die Psyche. Da habe ich gemerkt, dass ich etwas ändern muss und was Neues für mich brauche."

Marica sagt zwar, dass sie ihren alten Job eigentlich mochte, aber der Wunsch nach Veränderung war stärker. Trotzdem ist ihr der Schritt, zu kündigen, nicht leicht gefallen, weil sie Angst und Unsicherheiten verspürt hat: "Es war auch immer gutes Geld, das ich da bekommen habe, aber irgendwann kam der Tag, an dem mir das letztendlich egal war."

"Jeder braucht irgendwie Geld, um über die Runden zu kommen, aber ich könnte auch mit ein paar Euro weniger leben, aber dafür glücklicher sein."
Marica, hat nach sieben Jahren ihren Job als Erzieherin gekündigt

Ihr Chef und auch ihre Kolleginnen waren traurig, als Marica gekündigt hat. Gleichzeitig haben sie sich mit ihr über ihren Neuanfang gefreut. "Letztendlich haben alle gesagt: 'Mach das bloß so. Das ist dein Weg. Das ist richtig so'", erzählt Marica.

Wechsel in komplett neue Branche

Denn zu diesem Zeitpunkt hatte sie auch schon einen neuen Job in Aussicht. Noch während ihrer Zeit als Erzieherin hatte Marica nämlich eine Weiterbildung zur Gesundheitsberaterin gemacht und sich dann in diese Richtung weiter orientiert. Heute arbeitet sie als Fitnesstrainerin.

Für Marica ein Glücksfall. Sie sagt aber auch, wenn sie nicht so schnell einen anderen Job gefunden hätte, dann hätte sie sich erst mal eine Pause gegönnt, um sich neu zu orientieren.

Nicht die beste Zeit für einen Jobwechsel

In Zeiten wie diesen einen neuen Job zu finden, ist nicht mehr so einfach, meint Oliver Stettes. Er ist Volkswirtschaftler am Institut der deutschen Wirtschaft und sagt, dass Unternehmen zurzeit eher zurückhaltend damit sind, neue Leute einzustellen. "Das bedeutet, dass die Möglichkeiten, woanders eine Anstellung zu finden, die mehr den eigenen Wünschen und Anforderungen entspricht, grundsätzlich etwas gesunken sind", sagt er.

"Die Stellenangebote sind im Durchschnitt übersichtlicher als in der vergangenen Dekade."
Oliver Stettes, Volkswirtschaftler am Institut der deutschen Wirtschaft

Allerdings sieht Oliver Stettes von Branche zu Branche durchaus Unterschiede. Im Bildungs-, Sozial- oder Gesundheitswesen sei der Stellenmarkt noch ganz gut. Laut dem Volkswirtschaftler merkt man jedoch insgesamt die Auswirkungen der Corona-Pandemie, der Energiepreise und der aktuellen Kriege.

Hohe Fluktuation auch in Krisenzeiten

Deshalb rät Oliver Stettes auch, sich gut zu überlegen, warum man den Job wechseln möchte. Wer auf eine bessere Karriere oder ein höheres Gehalt aus ist, muss damit rechnen, dass die Chancen geringer geworden sind als in Boom-Zeiten, meint der Volkswirtschaftler. Besser wäre es dann, abzuwarten, bis sich die Lage verbessert und die Nachfrage wieder anzieht.

Laut dem Arbeitsmarktexperten werden in Deutschland jedes Jahr 20 Millionen Arbeitsverhältnisse neu begonnen oder beendet. "Das heißt, wir haben eine wahnsinnig große Fluktuation – und das ist auch in Krisenzeiten so.

Soll-Ist-Analyse unseres Jobs

Für Marica war es die richtige Entscheidung, ihren Job zu kündigen. Wer auch darüber nachdenkt, sich aber unsicher ist, dem empfiehlt der Arbeitspsychologe Martin Zeschke eine Soll-Ist-Analyse des eigenen Jobs zu machen und sich zunächst zu fragen: Was erwarte ich von meinem Job? "Das ist so dieser Soll-Zustand. Das heißt, ich hätte gerne so und so viel Gehalt, ich hätte gerne nette Kolleginnen und Kollegen und ich hätte vielleicht gerne ein eigenes Büro", so Martin Zeschke.

Dem gegenüber steht der Ist-Zustand und damit die Frage: "Werden diese – vielleicht auch Versprechungen, die mir zu Beginn gemacht wurden – erfüllt oder nicht?", erklärt der Arbeitspsychologe.

Unzufrieden im Job, und doch bleiben?

Wenn der Soll-Zustand sehr hoch ist und der Ist-Zustand auch, dann sind wir sehr zufrieden mit unserem Job. Wenn dieser Soll-Ist-Zustand jedoch negativ ist, dann entsteht eine Unzufriedenheit mit der Arbeit.

Und dann können wir uns im zweiten Schritt überlegen, ob wir diese nicht erfüllten Soll-Kriterien akzeptieren können. Manche Menschen tun das aus unterschiedlichen Gründen.

"Es gibt Menschen, die sagen: 'Mir ist das Gehalt oder die Sicherheit, die mir der Job bietet, wichtiger, als eine Selbsterfüllung im Job zu finden."
Martin Zeschke, Arbeits- und Organisationspsychologe

Wer die nicht erfüllten Soll-Kriterien nicht hinnehmen kann, sollte einen Jobwechsel in Erwägung ziehen. Bevor wir jedoch diesen radikalen Schritt gehen, gibt es auch noch andere Optionen, sagt Martin Zeschke: "Wenn man ein gutes Verhältnis zur Führungskraft hat, kann man erst mal mit ihr sprechen und sagen: 'Das ist anders, als ich mir das vorgestellt habe, oder anders, als es früher mal war, oder anders als versprochen. Was können wir denn hier tun?'"

Veränderungsmöglichkeiten ausloten

Möglich sei auch, sich mit Kolleginnen und Kollegen zusammenzutun und zu versuchen, Veränderungen zu bewirken. "Im Rahmen vieler Jobs gibt es die Möglichkeit, aber oft weiß man gar nicht, welche Möglichkeiten existieren. Und es kommt sehr darauf an, was die Führungskraft dazu sagt", erläutert der Arbeitspsychologe.

Schwierigkeiten im Berufseinstieg

"Für Berufseinsteigerinnen und Berufseinsteiger ist es noch mal deutlich schwieriger zu sagen: 'Das ist jetzt der Job, auf den ich so lange hingearbeitet habe. Für den ich eine Ausbildung gemacht oder vielleicht studiert habe. Und dann merke ich: Das ist es jetzt doch nicht'", sagt Martin Zeschke. In diesem Fall sollten wir hinterfragen, ob es der Job ist oder vielleicht diese Position in diesem Team und dieser Firma.

Der Arbeitspsychologe rät, dem Ganzen auch etwas Zeit zu geben und die Situation zu beobachten: "Die Zeit ist da ein guter Ratgeber. Verändert sich das über die Zeit? Oder bleibt es wirklich konstant so ungut?".

"Für viele Berufsanfängerinnen und Berufsanfänger ist es völlig normal, dass jeder neue Job erst mal mit so einem Kulturschock einhergeht."
Martin Zeschke, Arbeits- und Organisationspsychologe

In der Regel brauchen Berufseinsteiger erst einmal ihre Zeit, um im Job anzukommen, meint Martin Zeschke. "Das ist quasi eine Wachstumsaufgabe. Wenn man aber merkt, dass diese Wachstumsaufgabe kein Wachstum ist, sondern für mich eher ein Verbiegen bedeutet, oder ein: 'Ich passe hier nicht rein', ist das ein guter Indikator dafür, dass es vielleicht nicht die richtige Stelle für einen ist."

Der Arbeitspsychologe empfiehlt allen, die über Kündigung nachdenken, nicht im Affekt zu handeln, "wenn einen etwas verärgert oder Ähnliches, nicht zu sagen: 'Jetzt fülle ich die Kündigung aus und knalle sie meinem Chef oder meiner Chefin auf den Tisch.'" Wichtig sei, die Emotionen erst einmal abkühlen zu lassen und nicht aus dem Bauch heraus zu entscheiden, sondern eher rational.

So zeigt sich Zufriedenheit im Job

Am Ende kann eine Kündigung aber auch dazu führen, dass wir zufriedener sind und eine neue Stelle antreten, die uns glücklicher macht – so wie in Maricas Fall. Und Zufriedenheit im Job äußert sich ganz unterschiedlich, erklärt Martin Zeschke. Einige würden etwa nur des Geldes wegen arbeiten – nach dem Motto: Ich arbeite mich hier nicht tot, mache meinen Job und wenn Feierabend ist, ist Feierabend.

Andere dagegen gehen voll in ihrem Job auf und sind glücklich, wenn sie ihre Kompetenzen einbringen können oder vielleicht sogar eine Veränderung in der Welt anstoßen – durch ihre Arbeit.