Keinen Bock auf VollzeitMarkus hat sich entschieden: Mehr Freizeit, weniger Kohle
Mehr Freizeit, weniger Stress – dem Sozialarbeiter Markus ist es das wert, auch wenn er dadurch weniger verdient. Das Interesse an Downshifting steigt. Expertinnen erklären, worauf wir achten sollten, wenn wir unsere Arbeitszeit reduzieren wollen.
Markus ist Sozialarbeiter. Er arbeitet im 25-Stunden-Dienst. Und das kann eine ziemliche Herausforderung sein. Aber mehr noch stört Markus, dass er wenig Zeit hat, seine Freunde zu sehen, seinen Gedanken nachzuhängen und einfach Dinge zu tun, die ihm Spaß machen. Denn, wenn er morgens um 10 Uhr nach Hause kommt, sind all seine Freunde bei der Arbeit.
"Die Sachen, die ich gerne mache, musste ich immer hinten anstellen."
Er denkt eine Weile darüber nach, ob und wie es für ihn funktionieren kann, die Arbeitszeit zu reduzieren. Markus fragt Kollegen und Kolleginnen, die diesen Schritt schon gemacht haben, nach ihren Erfahrungen. Er rechnet nach, wiegt ab und entscheidet sich dann, seine Arbeitszeit auf 30 Stunden herunterzufahren.
"Das ist nicht das, womit ich mein restliches Leben verbringen will, dass es nur ums Geld verdienen gehen soll."
Auf seinen Social-Media-Accounts spricht Markus dann darüber, was er hinzugewonnen hat, obwohl er jetzt weniger verdient. Die Freiheit, seine freie Zeit für Dinge zu nutzen, die sonst immer zu kurz gekommen sind.
Auch Social Media bekommt nun mehr Zeit. Denn sein Ziel ist es: Mehr Sichtbarkeit für den Beruf des Sozialarbeiters. Insgesamt ist er zurzeit sehr zufrieden mit seiner Work-Life-Balance. Er weiß auch, dass es ein Privileg ist, immer noch genug zu verdienen, nachdem er seine Stunden reduziert hat.
Julia Backmann ist Arbeitsforscherin. Sie sagt, dass sich in Deutschland traditionell viele Menschen über ihren Beruf und ihre Arbeitsdisziplin definieren. Leistung und Wert wird in Deutschland oft mit der Arbeitszeit gleichsetzt, sagt sie.
"Die deutsche Effizienz ist kulturell tief verankert."
Spannend findet Julia Backmann, dass dennoch auch hierzulande, das Interesse an Downshifting wächst, das heißt, an der Reduzierung der Arbeitszeit. Es sei ein Zeichen dafür, dass Menschen bewusst einen Gang zurückschalten und der Fokus verschieben – beispielsweise von Aspekten wie Status, hin zu Themen wie Lebensqualität, Gesundheit, Beziehung und Familie. "Da sehen wir schon, dass sich die Zufriedenheit am Leben insgesamt gesteigert hat," weiß die Arbeitsforscherin aus Umfragen und wissenschaftlichen Untersuchungen.
"Man sieht einen Wandel, dass viele ihre Karrieren mit persönlicher Weiterentwicklung und Sinnhaftigkeit verbinden. Und dass mehr Autonomie im Job wichtig ist."
Sie erforscht insbesondere das Modell der Vier-Tage-Woche. Bei denjenigen, die nach diesem Modell arbeiten, erhöht sich die allgemeine Zufriedenheit, sagt Julia Backmann. Nicht die Arbeitszufriedenheit, denn die war bei den an der Untersuchung teilnehmenden Firmen sowieso schon relativ hoch, sagt die Forscherin. Der Arbeitsstress nahm aber durch die verkürzte Arbeitswoche durchschnittlich ab. Und die körperliche und mentale Gesundheit hat bei Befragten zugenommen, sagt die Arbeitsforscherin.
Weniger Arbeit macht nicht pauschal glücklicher
Wer über die eigene Belastungsgrenze geht, bekommt auf Dauer oft Beschwerden. Die meisten, die zu ihr kommen, sprechen über körperliche Leiden, sagt die Coachin und systemische Beraterin Julia Pedak. Manche haben Kopfschmerzen, andere Magenbeschwerden oder auch Schlafschwierigkeiten. Bei einigen sei das Gedankenkarussell im Kopf kaum noch zu stoppen.
Manche können dann nicht mehr gut abschalten, nehmen die Arbeit mit nach Hause oder machen Überstunden, berichtet die Coachin aus ihrer beruflichen Erfahrung. Früher oder später leidet unter dieser Überbelastung auch das private Umfeld, also die Beziehungen zu Freunden oder der Familie, sagt Julia Pedak.
"Auch Freunde kommen auf sie [die Klienten, Anm. d. Redaktion] zu und sagen, du hast gar keine Zeit mehr. Oder wenn wir etwas unternehmen, bist du gedanklich gar nicht anwesend."
Eine hohe Arbeitsbelastung wirke sich demnach auf drei Bereiche aus, sagt die Coachin: auf Körperliches, Gedankliches und das Umfeld. Dennoch sagt sie auch, dass weniger Arbeit keine pauschale Lösung ist. Denn es ist sehr individuell, wie viel Auszeiten, Ruhe oder Ausgleich wir brauchen.
Und andererseits brauchen wir auch Beschäftigung, sagt die systemische Beraterin. Zu viel Langeweile und Leerlauf könne genauso eine Depression oder ein Burn-out fördern, wie zu viel Arbeit.
Wie viel brauche ich als Minimum, um meine Kosten zahlen zu können
Um selbst ein Gefühl dafür zu bekommen, welches Arbeitspensum gut ist, rät sie dazu, zu dokumentieren, wie wir uns fühlen, wenn wir beispielsweise durchschnittlich arbeiten oder wenn wir auch mal frei haben. Zudem ist es auch wichtig, sagt Julia Pedak, genau zu berechnen, wie viel Geld wir monatlich brauchen, um unsere Kosten decken zu können.
Wer sich dann tatsächlich dafür entscheiden sollte, die Arbeitszeit zu reduzieren, dem rät die Coachin das offene Gespräch mit dem Chef oder der Chefin, um einen Arbeitsrhythmus zu finden, der den eigenen Bedürfnissen entspricht.