Das perfekte Buch für den Moment ...…wenn du dich nach etwas sehnst, das du nicht kennst

Toni verzweifelt fast am Kinderwunsch - doch plötzlich wacht sie mit Baby auf. Ist das real? Anne Sauer spinnt in ihrem Debütroman "Im Leben nebenan" zwei alternative Lebensfäden für ihre Hauptfigur – einen auf dem Land und den anderen in der Stadt.

Vielleicht sollte Toni doch zum Klassentreffen gehen. Außer Jakob und ihrem Vater weiß niemand, dass sie hier ist. Sie könnte für eine Überraschung sorgen. Doch noch liegt sie in der Badewanne, aber sie sieht sich schon langsam in die Kneipe gehen, aufrecht, schön und selbstbewusst.

Sie würde nicht herumstammeln, davon, dass sie gerade weder Arbeit noch einen Plan hat. Sie würde von der Freiheit für eigene Projekte erzählen, von ihrem Glück in der Stadt und mit Jakob. Vielleicht würde sie kurz verkniffen lächeln, wenn die Gespräche doch irgendwann auf das eine Thema zuliefen.

Kleine Frage, großer Ärger

Leider ist sie nicht cool. Sie fühlt sich weder frei noch glücklich. Zuletzt ist sie mal wieder gefragt worden, wie es denn bei ihr mit Nachwuchs aussehe.

Und da ist Toni geplatzt. Sie war plötzlich so wütend über die neugierige Frage, die Erwartung dahinter – und ihre eigene Scheiß-Hoffnung. Und von all dem erzählt Anne Sauer in ihrem Roman "Im Leben nebenan".

Sie erzählt auch von der Fragerei, ob schon Kinder geplant seien, und wann es denn soweit sei. Von den Blicken und den Kommentaren. Hört auf!, will Toni, eine Frau Anfang dreißig, den Fragenden entgegenschreien.

Spart euch die mitleidigen Blicke, wenn euch die Antwort auf eure Frage nicht passt. Erstens: Weil es euch nichts angeht. Zweites: Weil es weh tut. Und drittens: Weil ich es selbst nicht weiß.

Und dann ist das Baby da

Toni weiß nicht, ob es jemals soweit sein wird, weil sie einfach nicht schwanger wird, obwohl sie jeden Test, jeden Hinweis, jedes Verfahren hat über sich ergehen lassen. Und am Ende muss sie damit leben.

Man kann eben nicht einfach so schnipsen und das Baby ist da. Im Roman geht das, da ist von einer Seite auf die andere alles anders.

Toni erwacht mit einem Baby auf dem Bauch, das sie nicht kennt, auf einer riesigen Sofalandschaft in einem Haus, das sie noch nie gesehen hat. Das Baby ist echt, es weint. Toni ist überfordert, weiß nicht, was sie jetzt machen muss. Wo ist sie hier? Warum? Und wem gehört das Kind?

Ein alternativer Lebensweg

Schau dich um, mahnt eine Stimme in ihrem Kopf. Sie sieht akkurat gerahmte Kunst an den Wänden, Stapel von Elternratgebern, Pflanzen, Babymöbel, Vorhänge, viel Beige, viel Schwarz, und gerahmte Fotos.

Doch sie kann nicht fassen, was sie auf den Bildern sieht. Da ist sie. Eindeutig. Aber kein Jakob. Kein Eddi. Oder überhaupt jemand aus ihrem Leben. Trotzdem erkennt sie den Mann, der auf vielen Fotos lachend neben ihr steht, ihre Hand hält.

Es ist Adam. Ihr erster fester Freund, den sie verlassen hat, weil er im Dorf bleiben wollte, und sie nicht. An den sie immer mal wieder gedacht und sich gefragt hat: Was wäre gewesen, wenn auch sie geblieben wäre? Wo wäre sie jetzt? Wäre sie glücklich?

Das Buch:
"Im Leben nebenan" von Anne Sauer, dtv, 270 Seiten, Harcover: 23 Euro, eBook: 16,99 Euro, ein Hörbuch gibt es auch; ET: 10.07.2025

Die Autorin
Anne Sauer (*1989) lebt als freie Autorin und Moderatorin Hamburg. Sie ist Mitglied von Literaturjurys und empfiehlt seit vielen Jahren aktuelle Gegenwartsliteratur, unter anderem im Podcast Monatslese oder online als @fuxbooks. 2024 erschien ihr viel beachtetes Essay "Look What She Made Us Do" über Taylor Swift. "Im Leben nebenan" ist ihr Romandebüt, mit dem sie für den Aspekte-Literaturpreis sowie den Harbour-Front-Debütpreis nominiert war.