Mit anderen redenWarum Gruppentherapie keine Notlösung ist

Mira hat einen neuen Therapeuten für ihre Depression und Angststörung gesucht, doch der hatte nur Platz in einer Gruppe. Am Anfang hatte sie Bedenken, doch heute ist sie froh darüber. Sebastian Kromer ist Oberarzt für Psychiatrie, er erzählt, warum Gruppentherapien hilfreich sein können und worin sie sich unterscheiden.

Bereits als Kind ist Mira immer wieder zur Therapie gegangen, da sie an Depressionen und einer Angststörung leidet. Für ihr Studium neu nach Kiel gezogen, hatte sie das Bedürfnis, mit jemand Professionellem zu reden, erzählt sie. Einen Platz gab es für sie aber nur in einer Gruppentherapie. Ihr erster Gedanke: „Zuerst dachte ich, das mache ich auf keinen Fall, weil mit meiner Angststörung auch eine ziemlich starke Sozialphobie einhergeht.“

"Zuerst dachte ich, das mache ich auf keinen Fall, weil mit meiner Angsstörung auch eine ziemlich starke Sozialphobie einhergeht."
Mira

Auf der anderen Seite war die Idee, dass die Konfrontation mit anderen hilfreich sein könnte. Denn auch während des Studiums muss sie vor fremden Leuten sprechen. Nach etwas Bedenkzeit und mit gutem Zureden von Freunden und der Familie entschied sie sich schließlich für die Gruppentherapie.

Mira

Bei den Sitzungen sind es mit ihr insgesamt sechs Teilnehmer ungefähr gleichen Alters, sagt Mira. Darunter Menschen mit ähnlichen Diagnosen, aber auch ein Computerspielsüchtiger.

Ein ganz natürliches Gespräch

Bei den anderthalbstündigen Sitzungen hält der Therapeut sich weitestgehend zurück, das Gespräch sollen die Teilnehmenden möglichst untereinander führen, erzählt Mira. Dabei sei es wichtig, zu sagen, was man denkt, wenn andere von sich erzählen. Das sei ihr gerade am Anfang oft schwergefallen, besonders wenn es kritische Gedanken zu sehr persönlichen Erzählungen seien.

"Ich habe zwar schon tolle Einzeltherapien gemacht, doch das Gruppenformat bringt mich noch mal ein Stück weiter."
Mira

Trotz mancher Schwierigkeiten, so richtig unwohl hat sich Mira in den Sitzungen nie gefühlt. Im Gegenteil, für sie ist die Gruppentherapie die richtige Entscheidung. Mira sagt, sie habe zwar auch tolle Einzelsitzungen gehabt, doch das Gruppenformat würde sie noch mal weiter bringen.

Gruppentherapien können sich unterscheiden

Gruppentherapien können unterschiedlich aussehen: Eine ambulante Form der Gruppentherapie wie bei Mira, sei eher die Ausnahme, sagt Sebastian Kromer, leitender Oberarzt für Psychiatrie an der Privatklinik Friedenweiler für Psychosomatik. Meist würden Gruppentherapien im stationären oder teilstationären Rahmen stattfinden. Unterschiede gibt es auch bei der Zusammensetzung der Teilnehmenden, die könne zum Beispiel offen, halboffen oder geschlossen sein.

"Eine ambulante Form der Gruppentherapie ist eher die Ausnahme, meistens wird das bei stationäre oder halb stationären Gruppen angeboten."
Sebastian Kromer, leitender Oberarzt für Psychiatrie an der Privatklinik Friedenweiler für Psychosomatik

Darüber hinaus gebe es verschiedene psychotherapeutische Ansätze, sodass die Gruppentherapie auch inhaltlich differenzieren können. Mal stehe zum Beispiel die Interaktion der Teilnehmenden im Mittelpunkt oder wechselweise eine Teilnehmerin oder ein Teilnehmer.

Wirksamkeit der Gruppentherapie unstrittig

Je nach Diagnose sei eine Gruppentherapie gut möglich – zum Beispiel bei Angsstörungen, sozialer Phobie, Zwangs- oder Essstörungen. Oft geschehe das in der Kombination mit Einzelsitzungen.

"Angststörungen, soziale Phobie, Zwangs- oder Essstörungen sind sehr sehr gut in der Gruppe zu behandeln."
Sebastian Kromer, leitender Oberarzt für Psychiatrie an der Privatklinik Friedenweiler für Psychosomatik

Noch sei die Gruppentherapie in den Leitlinien zur Behandlung der Störungsbilder nicht überall vertreten, ihre Wirksamkeit sei aber unstrittig, sagt Sebastian Kromer. Und sie hat Vorteile: Gerade bei sozialen Phobien befinde man sich mit einer Gruppentherapie genau im Problemfeld. Gruppensitzungen seien daher nicht nur eine extrem wertvolle Ergänzung zu Einzeltherapien, in manchen Fällen seien sie sogar besser als eine Einzeltherapie, glaubt der Facharzt.