SelbstbestimmungsgesetzWenn der Name (endlich) zur Identität passt
In Deutschland gilt inzwischen das Selbstbestimmungsgesetz: Menschen können ihren Vornamen und Geschlechtseintrag ändern – ohne psychologische Gutachten und Gerichtsverfahren. Aber wie fühlt sich das an, den Namen zu ändern? Und wie wählt man den aus?
Für manche queere und trans Menschen bringt das Selbstbestimmungsgesetz (Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag) eine gewisse Erleichterung mit sich. Denn seit dem 1. August 2024 kann die Änderung des Geschlechts und Vornamens angemeldet und nach frühestens drei Monaten tatsächlich geändert werden. Die persönlichen Daten in Ausweispapieren können dadurch an die Geschlechtsidentität angepasst werden.
"Ich habe letztes Jahr im August, als das Gesetz in Kraft getreten ist, meine Anmeldung gemacht für die Namensänderung. Das war sehr cool und unkompliziert."
Luna Möbius ist Aktivistin, Content Creatorin, Referentin für politische Kommunikation und Grünen-Politikerin. Sie hat das Gesetz, das in Deutschland das Transsexuellengesetz (TSG) ablöst, genutzt, um ihren Namen zu ändern. Sie kritisiert dabei allerdings, dass zwischen der Anmeldung und der Änderung mindestens drei Monate verstreichen müssen.
Zwischen Beantragung und Änderung vergeht Zeit
Luna argumentiert, dass viele, die diesen Schritt gehen, sich schon über Monate, manchmal Jahre, damit auseinandersetzen, bevor sie solch einen Antrag stellen.
"Es war anstrengend, es hat genervt und belastet – und solche Momente hab ich einfach nicht mehr."
Bevor Luna Möbius ihre Dokumente ändern konnte, hatte sie von der Gesellschaft für Trans- und Intersexualität eine Ergänzung zum Ausweis erhalten. Doch diese wurde zum Beispiel bei Fahrkartenkontrollen nicht anerkannt. Auf Zugfahrscheinen stand aus rechtlichen Gründen immer noch der alte Name.
Dadurch geriet die Aktivistin und Content Creatorin oft in Situationen, die sie als belastend empfunden hat. Inzwischen gibt es diese anstrengenden Momente nicht mehr, sagt sie.
"Ich habe einen sehr emotionalen Bezug zu dem Namen Luna und mag die Bedeutung. Das hat sich schnell sehr stimmig angefühlt."
Für Luna war es relativ einfach, den zu ihrer Geschlechtsidentität passenden Namen zu finden. Das fällt nicht allen so leicht wie ihr. Einige von Lunas Bekannten testen in verschiedenen Freundeskreisen unterschiedliche Namen aus, um ein Gefühl dafür zu bekommen, welcher am besten zu ihnen passt, bevor sie sich endgültig entscheiden, sagt Luna.
Zu ungewöhnliche Namen werden von Standesämtern oft abgelehnt
Aber auch die Behörden können die Namensfindung erschweren: Besonders kleinere Standesämter sind oft überfordert, teils fehlen klare Abläufe, Schulungen oder passende Formulare. Auch bei der Namenswahl kommt es zu Problemen: Rund ein Drittel der selbstgewählten Vornamen wird nicht anerkannt.
Das liegt am Deutschen Namensrecht: Zu ausgefallen darf es nicht sein. Dabei, so Luna, gibt es gute Gründe, warum viele Queers eben nicht zu Namen wie Marianne oder Michael greifen.
"Man bricht ja in diesen Prozess mit ganz vielen Erwartungen und Normen und Einstellungen der Gesellschaft und will das vielleicht aber im Namen einfach verstetigen."
Sich mit Namen und Geschlecht neu zu verorten, ist zugleich persönlich und politisch. Gerade weil das Selbstbestimmungsgesetz unter der aktuellen Regierung wieder unter Beschuss steht. Beispielsweise fordert das Innenministerium ein Sonderregister für jene, die das Gesetz nutzen. Eine Praxis, die in der queeren Community Erinnerungen an die sogenannten Transvestiten-Karteien weckt, wie sie bis in die 1970er-Jahre von der Polizei geführt wurden.
Änderung von Passeinträgen bringt möglicherweise Nachteile
Die queere Kunsttherapeut*in Kevi verwendet ihren neuen Namen nur privat, hat sie unserer Reporterin Jasmin Kröger erzählt. Sowohl Kevi als auch Luna haben sich gegen eine Geschlechts- beziehungsweise Namensänderung im Reisepass entschieden. Denn das kann in einigen Ländern möglicherweise zu Schwierigkeiten führen. Zum Beispiel bei Reisen in die USA, wo sich die Lage für queere Menschen zuletzt deutlich verschärft hat.
Dass Fortschritte wie die Namensänderung jederzeit wieder infrage gestellt werden können, zeigen nicht nur Entwicklungen in den USA, sondern auch in Europa: In den Niederlanden und in Großbritannien sind entsprechende Rechte blockiert beziehungsweise wieder gekippt worden.
"Mir macht es Sorgen, dass, wenn ich mich jetzt für einen geschlechtsneutralen Geschlechtseintrag in meinem Personalausweis entscheiden würde, dass ich da in Zukunft große Probleme mit bekommen könnte."