Opfer und TäterWie Migration unsere Erinnerungskultur verändert

Täterperspektive und Machtfrage: Die Debatte um Erinnerung stellt sich mühsam der postmigrantischen Gesellschaft, in der sie stattfindet. Ein Vortrag der Soziologin Teresa Koloma Beck über den Einfluss von Migration auf die deutsche Erinnerungskultur.

Erinnerungskultur heißt in Deutschland vor allem an Nationalsozialismus und Holocaust erinnern. Unsere Erinnerungskultur ist dabei um die Erfahrung der Täter herum gebaut, sagt die Soziologin Teresa Coloma Beck. Sie forscht an der Universität der Bundeswehr in Hamburg zu Konflikten und gesellschaftlicher Transformation.

Migrationsfreie Erinnerung

In ihrem Vortrag erklärt die Soziologin, warum viele Menschen, deren Eltern oder Großeltern nach Deutschland eingewandert sind, keinen Platz in der deutschen Erinnerungskultur haben.

"Es gibt immer mehr Menschen, die hier leben und Staatsbürger*innen sind, die deutsche Tätererfahrung aber nicht teilen und deshalb keinen selbstverständlichen Platz in der Erinnerungskultur finden."
Teresa Koloma Beck, Soziologin

In der postmigrantischen Gesellschaft kommen Menschen zusammen für die unterschiedliche historische Gewaltereignisse von Bedeutung waren, sagt die Soziologin.

Opfergeschichte trifft Tätergeschichte

Außerdem treffen hier Menschen aufeinander, die aufgrund ihrer Familienbiografien mit Erfahrungen von Tätern verbunden sind, und solche, die mit Erfahrungen von Opfern verbunden sind, also mit Unterdrückung, Verfolgung und Vernichtung, erklärt Teresa Koloma Beck. Darin liege ein gesellschaftliches Konfliktpotenzial, das in den öffentlichen Debatten um Erinnerungskultur noch nicht hinreichend berücksichtigt werde.

"Es geht auch um das Verhältnis der Nachfahren der Täter zu den Nachfahren von Opfern. Und damit geht es um Fragen der Macht und die Frage, was aus der Geschichte der Gewalt in der Gegenwart folgt."
Teresa Koloma Beck, Soziologin

Teresa Koloma Beck ist Soziologin an der Universität der Bundeswehr Hamburg. Ihren Vortrag "Gewaltsoziologie ohne Zuschauerplätze" hat sie am 25. Juni 2025 im Rahmen des Cornelia-Goethe-Colloquiums zum Thema Logiken der Gewalt: Fragen sexistischer, antisemitischer und rassifizierter Verhältnisse an der Universität Frankfurt gehalten.

Tipp: Hörsaal live!

Wenn ihr den Hörsaal mal live erleben wollt – dann kommt am 19.09.2025 ins Naturkundemuseum in Berlin. Wir sind Teil des Beats’n’Bones-Podcast-Festivals und zwischen Saurierskeletten könnt ihr jede Menge Wissenschafts-Podcasts live erleben. Auf der Hörsaal-Bühne gibt es einen Vortrag über Bevölkerungspolitik und Nachhaltigkeit.

Und am 31.10.2025 sind auf der Bühne beim Silbersalz Science & Media Festival in Halle an der Saale. In dem Talk geht es darum, wie Künstliche Intelligenz unsere kollektive Intelligenz und unsere Kommunikation verändert und wie wir damit unser Zusammenleben von morgen gut gestalten können.