People PleasingKennen wir unsere Freunde eigentlich wirklich?
Das tun, was andere wollen oder von dir erwarten – das ist People-Pleasing. Julia sagt selbst, dass sie eine "Hardcore-People-Pleaserin" war und das auch als anstrengend empfand. Irgendwann hat sie dann bewusst an ihrem Verhalten gearbeitet.
Julia sagt, dass ihr People Pleasing in ihrem Umfeld sofort auffällt – und dass es ihr leidtut. Denn sie weiß, wie sehr Menschen darunter leiden können, wenn sie die Bedürfnisse anderer ständig über ihre eigenen stellen. "Man macht es, weil man gemocht und anerkannt werden möchte. Und man hat Schwierigkeiten, Nein zu sagen, weil man sich anpassen will. In solchen Momenten handelt man nicht selbstbestimmt."
"Es ist einfach anstrengend, wenn man zu allem Ja sagt und versucht, es allen recht zu machen. Man hat dann gar keine Zeit und Energie für sich selbst."
Selbstbestimmtheit bleibt bei People Pleasern auf der Strecke
Julia spricht aus eigener Erfahrung – denn sie war lange selbst People Pleaserin. Sie erinnert sich, dass auch ihr Umfeld bemerkt hat, wie sie in bestimmten Situationen versucht hat, es allen recht zu machen. Sie ist etwa abends mit Freund*innen ausgegangen, obwohl sie nach einem langen Arbeitstag eigentlich völlig erschöpft war. "Dann haben mir Freundinnen schon gesagt: 'Schau mehr auf dich, stress dich nicht zu sehr'", erzählt Julia.
Verhalten der Mutter hat abgefärbt
Julia vermutet, dass sie das People Pleasing von ihrer Mutter übernommen hat – einer Frau, die es allen recht machen wollte, auch wenn sie selbst erschöpft war: "Ich bin damit aufgewachsen. Meine Mutter hat sich immer zu viel aufgeladen und ist dabei selbst auf der Strecke geblieben. Ob es Muffins oder Kuchen backen zum Geburtstag nach ihrem Vollzeitjob war oder für alle kochen, putzen und waschen."
Woher kommt People Pleasing?
People Pleasing ist tatsächlich etwas Gelerntes, sagt die psychologische Psychotherapeutin Rosalie Weigand. Dieses Verhalten zeige sich beispielsweise, wenn Menschen in der Kindheit viel Lob dafür bekommen haben, dass sie nett waren, und eher schlechte Erfahrungen mit dem Thema "Wut" und "Nein sagen" gemacht haben.
People Pleasing als Schutzstrategie
Laut Rosalie Weigand kann People Pleasing auch eine Schutzstrategie sein. Es führe zu weniger Konflikten und sei der Weg des geringsten Widerstands. In der Psychologie ist dieses Phänomen als "Soziotropie" bekannt. People Pleasing bringe jedoch nicht nur Nachteile, sagt Rosalie Weigand: "Wenn zum Beispiel Hilfsbereitschaft ein großer Wert ist, dann ist People Pleasing nicht so negativ geframet. Dann sagt man eher: 'Wenn da jemand ist, der mich grade braucht, dann versuche ich, das hinzubekommen.'"
Trotzdem sollte man auf Warnzeichen wie Stress oder Gereiztheit achten – vor allem dann, wenn man sich ständig für andere aufopfert und die eigenen Bedürfnisse zu kurz kommen.
"Der Kipppunkt ist da, wenn man selbst merkt: 'Mich stresst das total, ich werde gereizt, meine Gesundheit leidet darunter.' Und: Wenn es ein Muster ist, aus dem ich gar nicht rauskomme."
Der richtige Umgang mit People Pleasern
Auch für das Umfeld kann es schwierig sein, mit People Pleaser umzugehen, sagt Rosalie Weigand: "Es ist schwierig, sich auf einen People Pleaser zu verlassen, weil man nie weiß, ob ein Ja auch wirklich ein Ja bedeutet."
Laut der Psychotherapeutin führt das häufig zu Situationen, in denen People Pleaser es nicht schaffen, allen Erwartungen gerecht zu werden – was Beziehungen belasten kann. Zudem, so Weigand, brauchen zwischenmenschliche Beziehungen Authentizität, um dauerhaft tragfähig zu sein.
"Wenn jemand nie ehrlich sagt, wenn er etwas nicht möchte, dann lernt man diese Person auch nicht so richtig kennen."
Wichtig ist dennoch, empathisch mit People Pleasern umzugehen und ihr Verhalten nicht zu verurteilen, sagt Rosalie Weigand. Denn grundsätzlich sei es nichts Negatives, wenn jemand die Bedürfnisse anderer wahrnimmt und bereit ist, darauf einzugehen.
Was hilft, um vom People Pleasing loszukommen
Laut der Psychotherapeutin sollten Menschen im Umfeld von People Pleasern mit gutem Beispiel vorangehen – also selbst kein People Pleasing betreiben und die eigenen Grenzen klar kommunizieren. Das kann es dem Gegenüber erleichtern, ebenfalls eigene Grenzen zu kommunizieren.
Hilfreich sei auch, dem People Pleaser zu signalisieren: Es ist völlig okay, wenn du Nein' sagst. Und: Wenn jemand, der zum People Pleasing neigt, tatsächlich einmal etwas ablehnt, sollte das positiv bestärkt werden. Indem man zum Beispiel sagt: Kein Problem. Gut, dass du da für dich einstehst.