Amnesty InternationalKarte dokumentiert Polizei-Gewalt in den USA

Vor einem Monat kam der Afroamerikaner George Floyd bei einem Polizeieinsatz in Minneapolis ums Leben. Seitdem ist in den USA nichts mehr, wie es vorher war: Überall im Land wird gegen Polizeigewalt demonstriert. Um deutlich zu machen, wie groß das Problem ist, hat Amnesty International jetzt eine Karte im Netz veröffentlicht.

Am 25. Mai 2020 wurde der 46-jährige Familienvater George Floyd durch die Polizei getötet. Wir wissen: Es ist nicht der einzige Fall von Polizeigewalt gegen Protestierende in den USA. Doch wie viele Fälle gibt es tatsächlich? Mit einer US-Landkarte, auf der die Vorfälle verzeichnet sind, will Amnesty International das anschaulich machen.

"Zwischen dem 26. Mai und dem 5. Juni 2020 dokumentiert die Karte 125 Vorfälle."
Martina Schulte, Deutschlandfunk Nova

Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation dokumentiert die Karte 125 Vorfälle zwischen dem 26. Mai und dem 5. Juni 2020. In allen Fällen sei die Polizei mit Gewalt gegen Protestierende vorgegangen. Jeder der 125 Vorfälle ist ein gelber Punkt auf der Karte. Wer ihn anklickt, bekommt Zusatzinfos über den Vorfall.

"Exzessive Gewalt" gegen Demonstrierende

Amnesty spricht von exzessiver Gewalt und von gesetzeswidrigem Missbrauch von Tränengas, Pfefferspray und Waffen mit nicht tödlichen Projektilen, etwa Gummigeschossen. Ironischerweise seien die Proteste gegen die Polizeigewalt mit Brutalität der Polizei gegen Demonstranten beantwortet worden, so Amnesty gegenüber dem Techblog Mashable.

Ein Vorfall ereignete sich zum Beispiel am 2. Juni in Milwaukee im US-Bundesstaat Wisconsin, berichtet Deutschlandfunk-Nova-Netzreporterin Martina Schulte: Laut Amnesty habe die Polizei dort Tränengas und Pfefferspraygeschosse gegen Protestierende eingesetzt – offenbar, weil diese entsetzt reagierten, nachdem mehrere Polizei-Trupps in voller Schutzmontur einen scheinbar harmlos herumstehenden Mann von seinem Fahrrad gerissen, überwältigt und traktiert hatten. Auf der Karte von Amnesty ist auch ein Augenzeugenvideo verlinkt, das den Vorfall zeigen soll.

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Alle knapp 500 verlinkten Videos und Vorfälle seien überprüft worden, sagt die Menschenrechtsorganisation. Dazu wurden zunächst Videos von diversen Social-Media-Plattformen gesichtet. Insgesamt habe das "Krisenbeweislabor" und die "Digitale Verifizierungseinheit" von Amnesty auf diese Weise annähernd 500 Videos verifiziert und mit Geo-Locations versehen. Anschließend hätten verschiedene Experten die Videos analysiert, wie Mashable berichtet: Welche Waffen sind zu sehen? Welche Taktik setzt die Polizei ein? Und: Ist die Gewaltanwendung durch die Polizei mit nationalen und internationalen Gesetzen vereinbar? In einigen Fällen wurden auch Zeugen vernommen.

Recherche nach Formen von Polizeigewalt

Auf der Karte lassen sich verschiedene Aspekte von Polizeigewalt recherchieren. So können Nutzer sie etwa nach den Waffen durchsuchen, die eingesetzt wurden. Oder nach den Polizeibehörden, die sie verwendet haben. Sie können sehen, wie häufig Tränengas eingesetzt wurde. Die unschöne Antwort: sehr oft.

Viele der festgehaltenen Übergriffe sind erschütternd, sagt unsere Netzreporterin, die sich die Karte für uns angeschaut hat: Die Polizei schießt etwa mit Gummiprojektilen auf Menschen, die auf ihrer eigenen Veranda stehen. Sie attackiert eine betende Frau im Rollstuhl – oder Protestierende, die einfach nur niederknien. Brian Castner von Amnesty International hat bei Al Jazeera gesagt, die Karte zeige, dass Polizeigewalt nicht nur das Problem einiger schlechter Departments, großer Städte oder der East bzw. West Coast sei. Sie passiere überall.

"It is not just a few bad apples, a few bad departments and it is not a big city problem. It is not an East Coast West Coast Problem. We found these incidents everywhere."