Primaten und KognitionVorsicht, Leopard! Wie Affen sich verständigen

Affen haben keine eigene Sprache. Aber sie haben ein gut funktionierendes Kommunikationssystem. Wie sie sich verständigen und was das über den Ursprung unserer Sprache verrät, erklärt die Primaten- und Kognitionsforscherin Julia Fischer.

Unsere Sprache mit all ihren Lauten, Gesten, Zeichen und Grammatik ist ein komplexes System. Wenn wir klein sind, lernen wir sie ganz einfach automatisch. Später wird das Sprachelernen mühseliger, dann merken wir erst richtig, wie vielschichtig und kompliziert Sprache eigentlich ist.

Der Ursprung der menschlichen Sprache

Wie hat sich dieses System entwickelt? Wo liegt der Ursprung unserer Sprache? Und kommunizieren vielleicht auch Affen symbolisch, also im Ansatz schon so, wie wir Menschen? Das sind Fragen, die Julia Fischer und ihre Forschungskolleg*innen beantworten wollen, wenn sie nichtmenschliche Primaten beobachten.

"Das ist für uns die große Herausforderung abzuklären: Sprechen wir jetzt tatsächlich über einen evolvierten oder über einen gelernten Prozess?"
Julia Fischer, Primatenforscherin und Kognitionswissenschaftlerin

In ihrem Vortrag erklärt die Primatenforscherin und Kognitionswissenschaftlerin, was Sprache eigentlich ist, wie sich die Kommunikation bei Menschen und Tieren unterscheidet, wie die Forschung dazu sich entwickelt hat und wie sie und andere Wissenschaftler*innen heute die Kommunikation unserer Verwandten untersuchen.

Kommunikation von Affen: teilweise zielgerichtet

Unter anderem berichtet sie von den Experimenten, die sie und ihr Team mit Grünen Meerkatzen in verschiedenen afrikanischen Regionen durchführen.

Zwei Grüne Meerkatzen (Chlorocebus pygerythrus), eine Primatenart mit der Julia Fischer unter anderem forscht.

Wie andere Affenarten auch benutzen Meerkatzen bestimmte Laute, um sich gegenseitig vor Gefahren zu warnen. Sieht ein Tier etwa einen Leoparden, macht es ein bestimmtes Geräusch und alle anderen wissen: Ab auf den Baum!

"Dass man einen spezifischen Ruf hat, reicht noch nicht, um zu sagen, das ist ähnlich wie Sprache. Das ist deshalb noch lange kein Symbol."
Julia Fischer, Primatenforscherin und Kognitionswissenschaftlerin

Ist das schon Sprache? Sind das schon Worte? Oder sind solche Rufe und die Reaktionen darauf nur genetisch festgeschrieben? Um solche Fragen zu beantworten, untersuchen die Wissenschaftler*innen mit ausgeklügelten Experimenten verschiedene Arten der gleichen Gattung und verschiedene Populationen etwa von Meerkatzen oder Pavianen in ganz Afrika. Dafür setzen sie auch Drohnen ein.

Kaum Laut-Unterschiede zwischen afrikanischen Affenpopulationen

Im Falle der Meerkatzen liegen zwischen untersuchten Arten mitunter mehr als zwei Millionen Jahre Evolutionszeit und heute viele hunderte Kilometer.

Die Laute aber, etwa die besagten Warnrufe, die die Forscher*innen analysieren, sind sich dennoch sehr ähnlich. Gleiches beobachten sie bei den Pavianen. In der gleichen Region hat sich bei den Menschen hingegen eine Vielzahl von Sprachen entwickelt: Allein in Afrika gibt es über 1.000, vergleicht die Forscherin.

"Das ist noch keine Grammatik, lassen sie sich nicht hinter die Fichte führen!"
Julia Fischer, Primatenforscherin und Kognitionswissenschaftlerin

In ihrem Vortrag stellt Julia Fischer viele Experimente zu Affen und Sprache vor. Anhand ihrer eigenen Beobachtungen und der Ergebnisse anderer Forscher*innen kommt sie zu dem Schluss, dass – anders als manchmal behauptet wird, wie sie kritisch anmerkt – Affen keine Sprache haben.

"Die willkürliche Kontrolle über die Lautproduktion, die offene Lernfähigkeit, die Syntax-Engine und eine Theorie des Geistes haben sich lange, nachdem der letzte gemeinsame Vorfahr von Schimpansen und Mensch vor 6,5 Millionen Jahren die Erde bevölkerte, entwickelt."
Julia Fischer, Primatenforscherin und Kognitionswissenschaftlerin

Ihre These: Unsere Sprache hat sich lange nach der evolutionären Trennung von Schimpanse und Mensch entwickelt – vermutlich erst im Bereich von vor 200.000 bis 100.000 Jahren.

Julia Fischer leitet die Abteilung Kognitive Ethologie am Deutschen Primatenzentrum und ist Professorin für Primatenkognition an der Universität Göttingen. Ihr Forschungsinteresse gilt dem Sozialverhalten, der Kommunikation und der Kognition nichtmenschlicher Primaten.

Im Jahr 2025 hat sie die Johannes Gutenberg-Stiftungsprofessur an der Universität Mainz übernommen.
In diesem Rahmen hielt sie eine Studium-Generale-Vorlesungsreihe mit dem Titel "Der Mensch im Spiegel des Affen – Zur Evolution von Sozialverhalten, Kommunikation und Intelligenz bei Primaten". Ihr Vortrag "Kommunikation – Wie Affen kommunizieren und was uns das über den Sprachursprung verrät" wurde am 20. Mai 2025 aufgezeichnet.