PsychologieBerührungsmangel: Eigentlich hilft nur anfassen

Körperkontakt ist lebensnotwendig und richtigen Ersatz dafür gibt es eigentlich nicht, sagt der Psychologe Martin Grunwald. Mit Kreativität lässt sich der akute Mangel vielleicht überbrücken.

Ein Drücker hier, eine Umarmung da: Menschen sind auf Berührungen angewiesen. Wer alleine lebt, dem fehlen während der Pandemie diese ganz alltäglichen Formen des Körperkontakts mit anderen. Sie lassen sich auch nicht ersetzen, sagt der Psychologe Martin Grunwald.

Die aktuelle Mangelsituation könne klinisch relevante Störungen hervorrufen. Er sieht also für einige Personengruppen konkret die Gefahr psychischer und körperlicher Erkrankungen.

"Bei Körperberührung werden über das Sinnessystem ganz interessante biochemische Mechanismen ausgelöst. Das können Sie mit keinem anderen Sinneskanal ausgleichen. Das ist einfach so."
Martin Grunwald, Psychologe, Universität Leipzig

In den Wald zu gehen und Bäume zu umarmen sei sicherlich nicht schlecht, wenn man sich dabei nicht komisch vorkomme. Dabei fehle allerdings immer die Interaktion. So werde die Umarmung eines Baumes den Mangel an zwischenmenschlicher Körperberührung nicht ersetzen.

Bäume sind härter als Menschen

Der entsprechende Vorschlag der Isländischen Forstverwaltung ist für ihn am ehesten noch eine gute Marketing-Aktion.

"Die interaktive Komponente fehlt bei diesen Aktionen. Es ist auch eine ganz andere Haptik. Der Mensch fühlt sich nun mal nicht an wie ein harter Baumstamm."
Martin Grunwald, Psychologe, Universität Leipzig

Mit Haustieren lasse sich körperliche Nähe und Interaktion hingegen recht zufriedenstellend erreichen. Wohl auch deswegen seien Haustiere so beliebt. Der Psychologe weist darauf hin, dass immerhin in fast jedem zweiten Haushalt in Deutschland eines lebt. Für ihn ist klar: "Das Säugetier Mensch hat eben Freude am anderen Säugetier."

Touch-Lösungen für den Moment

Während der kontaktarmen Zeit seien jetzt eben kreative und pragmatische Lösungen gefragt. Der Psychologe hilft sich im Moment bei Treffen mit seinen Kindern, indem er sich in ein Bettlaken hüllt. Dann sind ausgiebige Umarmungen und Drücker – mit leichten haptischen Einschränkungen – kein Problem. Das sei auch keine Lösung für die Ewigkeit, die Situation werde schließlich keine zehn Jahre mehr andauern.

"Man soll sich in der Mangelsituation auf die Zukunft fokussieren, die dann hoffentlich besser und auch wieder körperinteraktiver sein wird."
Martin Grunwald, Psychologe, Universität Leipzig