ZwischenbilanzWie läuft's mit Kanzler Merz?

Seit einhundert Tagen ist Friedrich Merz Bundeskanzler. Zeit für eine erste Bilanz. Wie zufrieden sind CDU/CSU mit ihrem Kanzler? Auch angesichts dessen, dass es zuletzt bei der Union rumort hatte, unter anderem wegen Merz' Alleingang in Sachen Israel.

Er wollte Deutschland wieder zu einem "zukunftsfähigen Land" machen und dafür auch die Wirtschaft wieder ankurbeln. Außerdem schlug er sich bei seinem ersten USA-Besuch bei Trump ziemlich gut. Gleichzeitig hatte sich Friedrich Merz schon im Wahlkampf vorgenommen, die AfD "kleiner zu machen", was ihm laut Umfragen überhaupt nicht gelingt. Und dann hat der Kanzler kürzlich im Alleingang, also ohne vorherige Abstimmung mit CDU/CSU, entschieden, angesichts des Gaza-Kriegs Waffenlieferungen an Israel einzuschränken.

"Da war ich schon überrumpelt", sagt Lennart Geibert. Er ist 28 Jahre alt, Landtagsabgeordneter in Thüringen und dort auch Landesvorsitzender der Jungen Union. Die Sicherheit Israels gehört zur DNA der CDU, erklärt er, deswegen hätte der Kanzler seine Partei da "anders mitnehmen" müssen.

Dennoch sagt der CDU-ler: "Bisher würde ich Friedrich Merz für seine Kanzlerschaft eine Zwei geben." Und fügt er hinzu: "Eine gute Zwei." Für eine Eins müsste die Regierung sich ernsthafter mit der Rentenpolitik auseinandersetzten, findet er. Das sei der Jungen Union im Hinblick auf junge Leute wichtig. Zufrieden zeigt sich Lennart Geibert mit den "guten Akzenten" in der Wirtschaftspolitik. Und die Tatsache, dass die AfD in Umfragen immer mehr aufholt, sieht er ziemlich gelassen.

"Friedrich Merz hat der AfD einen harten Kampf angesagt. Aber dass das in hundert Tagen nicht machbar ist, ist ja völlig klar."
Lennart Geibert, Junge Union Thüringen

Steffen Wurzel berichtet aus dem Deutschlandfunk-Hauptstadtstudio in Berlin regelmäßig über die CDU/CSU. Für ihn stellt sich die Frage, ob oder wie die CDU/CSU die AfD "kleiner machen" kann, kaum noch. Er schaut vielmehr darauf, was politisch auf die CDU mit ziemlicher Sicherheit zukommt: "Wenn nächstes Jahr im Herbst in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern gewählt wird und die Linke und AfD so stark werden, dass keine Mehrheit mehr ohne sie möglich ist, dann muss die CDU irgendwie agieren."

"Wie sollen denn künftig Mehrheiten zustande kommen, wenn die CDU nicht mit der AfD und nicht mit der Linken zusammen Politik machen will?"
Steffen Wurzel, Korrespondent im Deutschlandfunk-Hauptstadtstudio

Steffen Wurzel bezeichnet Friedrich Merz angesichts der Schwerpunkte, die er in den ersten einhundert Tagen gesetzt hat, als "Außenpolitik-Kanzler". Das liege daran, dass außenpolitisch sehr viel los sei. Stichwort Ukraine und Gaza. Dafür sei "innenpolitisch einiges liegen geblieben", so der Korrespondent und nennt als Beispiel die "fehlenden Milliarden, um die Haushaltslöcher zu stopfen". Aber auch die Pflege- und Rentenversicherung müssten angegangen werden, weil hier die aktuellen Bezieher Ansprüche haben, die Jungen aber eine Staatsverschuldung fürchten, die sie dann abbezahlen müssen.

Merz‘ Selbstverständnis: Der Kanzler macht‘s

Zu Merz' Entscheidung, Waffenlieferungen nach Israel einzuschränken und das vorher nicht mit diversen Gremien der Union oder auch mit dem Parlament besprochen zu haben, fällt Steffen Wurzels Einschätzung folgendermaßen aus: "Interessant ist, dass es hier keinen Zoff zwischen SPD und CDU/CSU gibt, sondern dass intern – und das vor allem hinter den Kulissen – Missstimmung herrscht." Es gibt in der Partei aber auch keinen Aufstand wegen der Entscheidung, betont der Journalist.

"Wir haben einen Bundeskanzler, der ganz klar exekutiv unterwegs ist und sagt: Ich lege die Grundlagen der Außen- und Sicherheitspolitik fest."
Steffen Wurzel, Korrespondent im Deutschlandfunk-Hauptstadtstudio

Steffen Wurzel sieht Friedrich Merz insgesamt als einen Kanzler, der "vorangeht" und "Sachen entscheidet". Dafür bekommt er Gegenwind im Parlament und dort auch aus der eigenen Fraktion. Der Journalist beobachtet, dass vor allem jüngere Abgeordnete sich daran reiben. Sie fordern, bei Entscheidungen mehr einbezogen zu werden. "Das ist auch ein Generationending", meint Steffen Wurzel. "Die Jüngeren wollen kein Kanzlerwahlverein mehr sein." Wie Merz mit dieser anderen Vorstellung von Kanzler und Fraktion umgehen wird, das zu beobachten, dürfte noch interessant werden. In diese Richtung scheint zumindest auch die ganz zaghafte Kritik von Lennart Geibert zu gehen: "So ein bisschen mehr in die Partei zu kommunizieren und die eigenen Parteimitglieder mehr mitzunehmen, das wäre schon sehr sinnvoll."

Hinweis: Der Podcast wurde aufgenommen, bevor das "Trendbarometer" von RTL und ntv veröffentlicht wurde, wonach die AfD bei 26 Prozent und die CDU/CSU bei 24 Prozent liegen. Im Podcast ist noch die Rede davon, dass beide Parteien in etwa gleichauf sind.