Reiseschriftsteller Fredy GareisMelancholisch schön schreiben

Fredy Gareis macht, was Reiseschriftsteller halt so machen: auf Güterzügen durch die USA reisen, mit dem Rad von Tel Aviv nach Berlin radeln und eine Zeit lang im Auto leben. Der Lieblingsort, an dem er schreibt, liegt jedoch ganz woanders. Dort hat er in jeden Fall mehr Platz zum Schreiben als im Auto.

Bei den Büchern, die Fredy Gareis verfasst, spielen immer die Menschen, die er getroffen hat, eine Rolle. Doch wenn er dann über diese Menschen schreibt, zieht er sich zurück – am liebsten in das Haus von Freunden. Es liegt an einem Hang in einem griechischen Dorf, erzählt er: "Man hat einen fantastischen Blick über die Hügel zum Meer und auf die Inseln dort. Daran kann ich mich einfach nie sattsehen."

"Nach den Reisen für die Bücher brauche ich Phasen, in denen ich wirklich niemanden treffe. So kann ich die Eindrücke verarbeiten und reflektieren."
Fredy Gareis, Reiseschriftsteller

Allerdings kennt Fredy wahrscheinlich ein anderes Griechenland als die allermeisten von uns. Denn der Schriftsteller reist nicht im Sommer, sondern im Winter dorthin. Mit 16 Grad Celsius sei dort natürlich auch das Klima angenehmer, sagt er – aber eigentlich ist es gar nicht nur die Temperatur, die ihn anzieht.

Die Stille in sich aufsaugen

Es ist der verschlafene Charakter des Örtchens. Wenn alle Touristen abgereist sind, blieben da nur noch ein Supermarkt, eine Taverne und ein Basketballplatz mit Schlaglöchern. Und genau da findet man ihn, wenn er nicht gerade schreibt oder den beeindruckenden Blick auf Berge und Meer in sich aufnimmt.

"In dieser leicht melancholischen Atmosphäre kann ich wundervoll abschalten und arbeiten."
Fredy Gareis, Reiseschriftsteller

Wenn Fredy dann wieder auf Reisen geht, taucht er voll ein und will mitkriegen, wie Städte, Länder und vor allem die Menschen ticken. Für sein neues Buch "Als ich gegen Stalin im Armdrücken gewann" (Erscheinungsdatum: 02.10.2025) reiste er entlang der östlichen Grenze Europas und der EU – angefangen in Norwegen übers Baltikum und Polen bis zum Balkan und in die Türkei. Insgesamt war er für dieses eine Buch in sehr vielen Ländern unterwegs und legte 8.000 Kilometer zurück.

8.000 Kilometer für ein neues Buch

Anstoß für die Reise war der Angriff Russlands auf die Ukraine im Februar 2022. "Mir war ein bisschen schwindelig geworden von den ganzen Begriffen, mit denen dort um sich geschmissen wurde: Zeitenwende, Verbündete, Nato und Artikel fünf.“

"Ich habe mich auf die Reise begeben, weil ich wissen wollte, wie es den Menschen geht, die Russland als direkten Nachbarn und mehr Erfahrung mit Besatzung haben."
Fredy Gareis, Reiseschriftsteller

In Norwegen und Finnland macht man sich keine Illusionen bezüglich der Gefahr, die von Russland ausgeht, so Fredys Beobachtung. Die Länder bereiteten sich entsprechend vor, allerdings mit stoischer Ruhe. Die Menschen im Baltikum hingegen nähmen kein Blatt vor den Mund. Sie verweisen darauf, dass sie uns – das heißt Deutschland – schon vor zehn Jahren vor Russland gewarnt hätten, aber dass das keiner hören wollte, erzählt Fredy.

"Im Baltikum haben mir die Menschen gesagt: 'Ihr habt uns damals belächelt und gesagt, wir haben ein Sowjettrauma und einen Minderwertigkeitskomplex'."
Fredy Gareis, Reiseschriftsteller

Fredys ausdrückliches Vorhaben auf der Reise war es, mit Menschen zu sprechen, die die Zeit erlebt haben, als der Eiserne Vorhang fiel – beziehungsweise mit den Menschen, die dazu beigetragen haben, dass er fiel.

"Eine Begegnung, die mich sehr berührt hat, war die mit Ira", erzählt er. "Sie war eigentlich studierte Chemikerin, hat dann aber 1990 auf den Barrikaden gekämpft und dort die Logistik organisiert." Damals versuchte die Sowjetunion noch, die Unabhängigkeit der baltischen Staaten zu verhindern. Ira ist unglaublich stolz auf die Unabhängigkeit, die ihr Land erreicht hat, sagt Fredy. Gleichzeitig lässt sie dieser Lebensabschnitt bis heute nicht los, auch weil in der Zeit ihr bester Freund umgekommen ist.

Pessimismus und ein bisschen Hoffnung

Auf seiner Reise hat Fredy auch mit Exil-Russen gesprochen, also Menschen, die aus Russland geflohen sind. Vor allem sie machen sich keine Illusionen, fasst Fredy deren Haltung zusammen. Sie zweifeln daran, dass es – selbst, wenn Putin nicht mehr an der Macht wäre – zu einem Systemwechsel käme. Sie verweisen auch auf diejenigen, die derzeit als Soldaten an der Front sind und die ganze Gewalt des Krieges nach Hause bringen.

Für die Menschen, mit denen Fredy gesprochen hat, ist klar: Der Konflikt oder Krieg mit Russland wird bis auf Weiteres bestehen bleiben. Gleichzeitig, sagt Fredy, hätten ihm alle mitgegeben: "Vielleicht wird die Lage noch ernster, aber es ist nicht hoffnungslos. Wir müssen zusammenstehen, um da durchzukommen."