SchicksalsschlagWie wir wieder zu uns selbst finden

Eine Diagnose, ein Unfall oder ein Verlust: Es gibt Momente, die das ganze Leben verändern. Julia wird mit 21 Jahren am Gehirn operiert, was einen Schlaganfall auslöst. Seitdem kämpft sie sich mit Tanzen zurück ins Leben. Tanja Zimmermann ist Psychotherapeutin und weiß, wie wir mit schweren Schicksalsschlägen umgehen können.

Etwa 60 Prozent der Menschen, die einen schlimmen Schicksalsschlag erleben, können ein schweres Trauma gut verarbeiten, besagen Studien. Den restlichen 40 Prozent fällt es schwer, mit den Erlebnissen klarzukommen. Dennoch gibt es durch Hilfe von Expert*innen auch für diese Personen immer eine Möglichkeit, wieder Freude und einen Alltag ins Leben zu lassen. Julia hat es nach einem Schlaganfall mit 21 Jahren wieder geschafft, zurück ins Leben zu finden.

Gegen alle Vorhersagen im Leben sein

Eine vermeintlich risikoarm dargestellte Operation am Gehirn endet für Julia mit einer Einblutung, die einen Schlaganfall auslöst. Mit Anfang zwanzig ist sie halbseitig gelähmt. Ihre Ärzte sind damals pessimistisch, was das Fortsetzen ihres bisherigen Lebens mit Studium und Sport angeht. Aber Julia möchte kämpfen. Ihre Physio- und Ergotherapeuten sind zum Glück optimistischer, erzählt sie.

"Ich habe leider auch teilweise Gespräche geführt, wo gesagt wurde, mit dem Gehen oder jemals selbstständig zu sein, wird schwer."
Julia über teilweise schwere Gespräche mit Ärzt*innen

Einige Gespräche mit Ärzten empfindet Julia als niederschmetternd. Dennoch zeigt sie allen, dass sie nicht aufgibt, sondern versucht Bewegungen wieder neu zu erlernen. Sowohl ihr Freund als auch das Tanzen helfen Julia besonders dabei.

Tanzen als Therapie

Von ihrem Freund motiviert, geht Julia zu einem Tanzkurs. Schon vor ihrem Schlaganfall hatte sie einmal einen Tanzkurs besucht, der ihr Spaß machte. Beim Tanzen stellt Julia fest, dass es ja mit neuen Bewegungsabläufen wie mit Tanzschritten ist – sie müssen erlernt werden. Julia packt die Motivation, auch andere alltägliche Bewegungen einfach wieder neu zu lernen und zu trainieren.

"Als wir aufgehört haben, kamen Leute zu mir und meinten: Wir kennen ja deine Geschichte und wenn du tanzt, da denkt man das gar nicht."
Julia über den Moment, nachdem sie allen bei einer Hochzeit gezeigt hat wie gut sie wieder tanzen kann

Bei einer Hochzeit tanzt sie dann das erste Mal wieder einen Discofox. Nachdem Julia mit ihrem Freund über die Tanzfläche fegt, kommen viele Menschen auf sie zu und sind verblüfft, wie toll sich Julia wieder bewegt. Für Julia ist das Bestätigung und die Motivation weiterzumachen.

Inzwischen hat Julia ihr Studium erfolgreich beendet, tanzt immer noch und geht sogar wieder schwimmen. Sie erzählt, dass sie früher immer Angst hatte, mit ihrer gelähmten Hand unterzugehen. Mittlerweile hat Julia aber nicht nur das Selbstbewusstsein, wieder zu schwimmen, sondern streckt anderen auch ihre gelähmte Hand bei der Begrüßung entgegen.

Hilfe bei Schicksalsschlägen

Sich auf Schicksalsschläge vorzubereiten ist kaum möglich und auch nicht unbedingt ratsam, sagt die Psychologin Tanja Zimmermann. Sie erklärt, es sei nicht gut für die Psyche, sich in einer ständigen Halbachtstellung zu befinden. Umso wichtiger ist es, sich bei Schicksalsschlägen eine gute Balance zwischen Ablenken und Konfrontation mit Emotionen zu schaffen. Davon hängt ab, wie gut wir das Erlebte verarbeiten.

"Viele Betroffene erzählen denn auch, dass sie am Anfang erst mal irgendwie funktionieren."
Tanja Zimmermann über die Zeit nach dem Schicksalsschlag

Ebenfalls sei es wichtig, Ordnung in das Chaos der neuen Situation zu bringen und sich wirklich erst einmal nur auf diese Situation zu konzentrieren. Zunächst fühlen sich Menschen in der ersten Zeit nach einem Schicksalsschlag so als würden sie nur funktionieren, erklärt Tanja Zimmermann.

Angehörigen rät Tanja Zimmermann proaktiv zu helfen und nicht zu sagen: "Meld dich, wenn du mich brauchst". Viel besser ist es einfach, sich in Abständen zu melden und nach dem Rechten zu sehen. Dabei ist es wichtig, sich nicht abgelehnt zu fühlen, wenn die Person gerade keine Hilfe möchte oder nicht über die Situation sprechen will.