Seenotrettung vor Libyen"Sie haben keine Wahl"

Klaus Merkle ist mit der Aquarius auf dem Weg Richtung Sizilien. Das Schiff ist randvoll mit geflüchteten Menschen. Eine kalte Nacht auf See liegt noch vor ihnen.

"Das gesamte Schiff ist voll", sagt Klaus Merkle. Er ist Rettungskoordinator und Kapitän der Aquarius. Die Stimmung an Bord sei ganz gut, meint er. Das liegt am Wetter. Es ist warm und fast windstill. Ein Vorteil für die geflüchteten Menschen, denn die meisten von ihnen sind an Deck untergebracht. Notfällen, schwangeren Frauen und Kindern bleibt das Innere des Schiffes vorbehalten.

Fast alle seekrank und unterkühlt

Die Aquarius ist ein Schiff der Organisation SOS Mediterranee. Vor der libyschen Küste hat die Besatzung mehrere Hundert Menschen aus den Fluten gerettet und ist mit ihnen auf dem Weg nach Catania auf Sizilien. Die Notrufe zu ihren Einsätzen bekommt das Team der Aquarius von der Küstenwache oder der Seenotleitstelle in Rom. Manchmal sind es nur vage Hinweise. "Dann fahren wir da hin. Wir patrouillieren in einer gewissen Distanz zur Küste", erklärt der Kapitän.

"Die Leute riskieren ja nicht ihr Leben, weil wir auf offenem Meer auf sie warten, sondern weil sie keine andere Wahl haben."

Auf offener See sind die Menschen in unterschiedlicher Verfassung. Viele sind unterkühlt. Besonders das Wasser, das ins Schlauchboot schwappt und der kalte Wind hat den Menschen zugesetzt. Fast alle sind dehydriert und geschwächt. 

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Der Vorwurf, dass Rettungsschiffe die Menschen animieren in See zu stechen, sei nicht neu, sagt Merkle: "Bei den vietnamesischen Boatpeople wurde Cap Anamur der gleiche Vorwurf gemacht. Der war damals falsch und ist heute nicht richtiger", so der Kapitän.

"Wir müssen uns als Europäer die Frage stellen, ob wir diese Menschen retten oder sterben lassen."

Gleichzeitig beraten sich in Rom die EU-Innenminister mit Kollegen aus Algerien, Tunesien und Libyen, wie sie die Fluchtsituation in den Griff bekommen. Klaus Merkle sieht eine Gefahr: "Wenn nur Militärs, Sicherheitsfachleute und Bürokraten befragt werden, dann gibt es auch entsprechende Antworten. Die sehen wahrscheinlich ein bisschen anders aus als die Antworten oder Lösungen, die wir als Hilfsorganisation vorschlagen würden."