Verfassungsänderung in der TürkeiErdogan wird mächtiger

Es ist ein äußerst knappes Ergebnis: 51,3 Prozent der Türken haben für die Verfassungsänderung gestimmt. Präsident Erdogan freut sich über den Sieg. Doch die Opposition will das Ergebnis anfechten.

Unser Türkei-Korrespondent Reinhard Baumgarten fasst die Stimmung in der Wahlnacht zusammen: "Die Leute, die es gut finden, haben gejubelt. Die anderen haben geschwiegen oder Töpfe geschlagen." Krawalle oder Ausschreitungen habe es angesichts des knappen Ergebnisses aber nicht gegeben, so der Korrespondent.

51,3 Prozent der Türken stimmten für die von Präsident Recep Tayyip Erdogan angestrebte Verfassungsänderung - aber eben auch 48,7 Prozent dagegen. Daher fragen sich viele: Kann angesichts der Tatsache, dass fast die Hälfte aller Türken mit "Nein“ gestimmt hat, von einem Sieg gesprochen werden?

Erdogan ist zufrieden

Erdogan hat dazu eine klare Haltung, meint Reinhard Baumgarten. "Er sagt: Das Glas ist nicht halb leer, sondern es ist mehr als halb voll." Dass eine so einschneidende politische Änderung innerhalb der Bevölkerung  auf breiteren Füßen stehen sollte - davon will Erdogan nichts wissen. "Er ist mit dem Ergebnis sehr zufrieden."

Zunächst einmal wird sich nach dem Referendum nicht allzu viel verändern, sagt Reinhardt Baumgarten. Am 3. November 2019 soll es Wahlen geben, dann wird der Präsident und ein neues Parlament gewählt. Erst danach treten die Verfassungsänderungen in Kraft. Und dann ändert sich eine ganze Menge.

"Da geht sehr viel Macht, die im Moment noch auf mehrere Organe verteilt ist, mehr oder weniger in seine Hände."
Türkei-Korrespondent Reinhard Baumgarten über die Verfassungsänderung

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Der Posten des Ministerpräsidenten wird abgeschafft, das Parlament wird zwar von 550 auf 600 Mitglieder vergrößert, "aber es wird erheblich weniger Mitsprache haben, erheblich weniger Möglichkeiten für die Legislative und erhebliche weniger Kontrollmöglichkeiten des Präsidenten", sagt unser Korrespondent in der Türkei.

Einführung der Todesstrafe ganz oben auf der Agenda

Vor seinen Anhängern sagte Erdogan, dass seine "erste Aufgabe" darin bestehen werde, die Wiedereinführung der Todesstrafe auf die Tagesordnung zu setzen. Sollte das Parlament nicht die Mehrheitsverhältnisse dafür herstellen, will er das Volk darüber abstimmen lassen.

"Ich denke er meint es ernst. Es wird wahrscheinlich wirklich demnächst über die Wiedereinführung der Todesstrafe abgestimmt. Entweder im Parlament oder eben durch eine Volksabstimmung."
Reinhard Baumgarten

Die Opposition will sich mit dem Ergebnis noch nicht abfinden. CHP und HDP - die beiden größten Oppositionsparteien in der Türkei - sagen, dass die Wahl manipuliert wurde. Unter anderem seien viele Stimmzettel verwendet worden, die offiziell nicht verwendet werden durften. "Sie unterstellen mehr oder weniger, dass von außen Stimmen hineingeschmuggelt wurden. Und zwar Ja-Stimmen", sagt Reinhardt Baumgartner.

Kritik von Wahlbeobachtern

Insgesamt waren 63 internationale Wahlbeobachter von OSZE und Europarat anwesend. Und auch sie sagen: Bei der Wahl wurde gegen internationale Standards verstoßen.Vor allem der Einsatz von ungestempelten Wahlzetteln widerspreche dem Gesetz, hieß es in einer Pressekonferenz nach dem Referendum. Außerdem kritisieren Vertreter von OSZE und Europarat die ungleichen Bedingungen, unter denen die Wahl stattgefunden hat.Beide Lager hätten nicht die gleichen Bedingungen gehabt, außerdem seien Grundfreiheiten eingeschränkt gewesen, die für den demokratischen Prozess wesentlich seien.