UnverbindlichkeitWenn wir uns alles offen halten wollen

Echt komische, sehr kurzfristige Absagen? Katrin kennt einige. Rüdiger Maas ist Psychologe und kann erklären, wo die schöne Verbindlichkeit hin ist und was an ihre Stelle getreten ist.

"Superblöd, meine Oma ist vor zwei Tagen gestorben". Das geht als Entschuldigung durch, als Ausrede funktioniert der Satz auch. Dann jedenfalls, wenn die Person, bei der man absagen möchte, nicht vor zwei Monaten auf der Beerdigung der einzigen Großmutter gesungen hat. Katrin Lindorfer war die Sängerin. Sie hat sich genau diese Ausrede von einer guten Freundin anhören müssen. Auch unabhängig von der blöden Ausrede – die beiden sind sich nicht mehr so nah.

"Viele wollen diese komplette Transparenz und Ehrlichkeit, aber ich glaube: Viele wollen die Wahrheit im Endeffekt nicht wirklich hören."
Katrin Lindorfer über Unverbindlichkeit und Ausreden

Ausreden und manchmal auch Lügen, das beobachtet Katrin Lindorfer in ihrem sozialen Umfeld häufiger. Sie weiß aber auch, wie blöd sich kurzfristige Absagen auf Seite der Empfängerin anfühlen. Besonders unklug war die Absage einer Freundin, mit der Katrin Lindorfer eigentlich in einen Märchenpark fahren wollte.

Insta hat sie verraten

Erst hat die Freundin Geldmangel vorgeschoben, das Angebot sie einzuladen hat sie dann aber auch nicht angenommen. Schließlich sagten sie beide den Ausflug dann ab. Doch auf Instagram war dann zu sehen, dass die Freundin mit ihrem Ex-Freund und ihrer Tochter in den Park gefahren ist.

"Ich möchte mich drauf verlassen können, weil im Vorfeld eine gewisse Vorfreude mitspielt. Wenn ich Zeit einräume für einen Menschen, gebe ich meine Zeit her."
Katrin Lindorfer über die Enttäuschung bei einer Absage

Der Psychologe Rüdiger Maas unterscheidet zwischen analog-geprägten und digital-geprägten Menschen: jüngere, digital-geprägte fürchten ständig, die beste Option zu verpassen. Sie schöpfen aus dem Vollen, aus einer Vielzahl von Möglichkeiten. Glücklich mache diese Angst, die beste Option zu verpassen allerdings nicht.

"Diese 'Fear of Better Option' führt nicht dazu, dass die Jüngeren glücklicher sind, ganz im Gegenteil."
Rüdiger Maas¸ Psychologe

In der analogen Welt, seien Jüngere hingegen untrainierter. Sie bewegten sich dort unsicherer. Rüdiger Maas meint, dass sich diese Unsicherheit auch im Beziehungsverhalten zeige. "Wir sehen zum Beispiel auch bei den Jüngeren sehr lange Beziehungen", sagt er.

Neue Konstanz beim Beziehungsverhalten

Jemand mit 22, der seit zehn Jahren in einer Beziehung sei, das sei heute weniger selten als noch vor 20 Jahren. Außerhalb des Beziehungs- und Freundschaftslebens dominiere aber eher die bereits genannte 'Fear of Better Option'.

"Die Jüngeren haben die Erfahrungen gemacht, dass wenn ich eine Zusage zu lange aufrechterhalte, vielleicht eine bessere Option misse."
Rüdiger Maas¸ Psychologe