MedizingeschichteWarum Diagnosen zu historischen Todesfällen problematisch sind

Alexander der Große soll lebendig begraben worden und Dschingis Khan an der Pest verstorben sein. Medizinhistorikerin Nadine Metzger sieht Studien, die solche Erkenntnisse zutage befördern, kritisch.

Es ist überliefert, dass Alexander der Große 323 vor Christus und Dschingis Khan im Jahr 1227 gestorben sein sollen. Die Medizinhistorikerin Nadine Metzger sieht ein methodisches Problem darin, viele Jahrhunderte nach dem Tod eines Menschen feststellen zu wollen, was die Todesursache war.

Retrospektive Diagnose

Es konnte nie festgestellt werden, wo Dschingis Khan begraben wurde. Demzufolge gibt es keine sterblichen Überreste, die heute von Foschenden obduziert werden könnten.

"Hier wird eine klassische retrospektive Diagnose gemacht: Eine Person, die schon sehr, sehr lange tot ist, wird mit einer Krankheit verknüpft."
Nadine Metzger, Medizinhistorikerin

Wenn überhaupt, lassen sich nur wenige Texte oder Nachrichten dazu finden, unter welchen Umständen eine historische Persönlichkeit verstorben ist. Hinzu kommt erschwerend, dass sich auch oft nicht mehr nachvollziehen lässt, wie zuverlässig solch eine Quelle ist.

Die Medizinhistorikerin argumentiert so, dass wir heute auch nicht erwarten würden, dass ein Arzt aufgrund einer Textnachricht eine Diagnose erstellt.

Schwerer methodischer Fehler

Diese Textdokumente, die sich mit den Todesumständen einer historischen Persönlichkeit befassen, sind in einem bestimmten Zeitkontext entstanden, sagt Nadine Metzger. In früheren Jahrhunderten habe eine eigene medizinische Auffassung geherrscht, die sich von der heutigen stark unterscheide, sagt die Medizinhistorikerin.

Die eigenen Konzepte nicht als überlegen bewerten

Sie warnt davor, heute gültige medizinische Konzepte zu nutzen, um die Lebenswirklichkeit historischer Todesfälle zu beurteilen. Vorsicht ist aus Nadine Metzgers Sicht davor geboten, unsere Konzepte von Medizin über eine historische Auffassung zu stellen, weil wir sie für besser oder richtiger halten. Wenn Forschende in einen Überheblichkeitsduktus geraten, sei eine objektive Einordnung nicht möglich.

"In 200 Jahren werden die Leute auch von uns sagen, was haben die denn für albernen Quatsch betrieben in der Medizin. Deswegen muss man sehr kultursensibel an solche Krankheitsschilderungen herangehen."
Nadine Metzger, Medizinhistorikerin

Aus medizinhistorischer Sicht sei es spannender zu fragen, was der Tod einer historischen Persönlichkeit in seinen Zeitgenossen ausgelöst habe und wie sie darüber reflektiert und das Geschehene gedeutet hätten. Metzger findet es weniger interessant, die Todesursache eines vor Jahrhunderten Verstorbenen herauszufinden. Stattdessen sei es interessanter, zu untersuchen, wie die Menschen Krankheit, Leid und Sterben in früheren Zeiten eingeordnet haben, sagt die Historikerin.