Angst und StressZittern als Therapie?
Auf Social Media bringen Menschen ihren Körper gerade zum Zittern, um Stress zu lösen und sogar traumatische Erfahrungen zu verarbeiten. Die TRE-Technik dahinter ist nicht neu, aber wissenschaftlich noch wenig untersucht.
Es soll bei Ängsten, Schlafstörungen, Verdauungsproblem und auch traumatischen Erfahrungen helfen: neurogenes Zittern.
In Videos auf Insta und Tiktok schwören die Befürworter*innen der Methode auf ihre Wirkung und zeigen, wie sie ihren Körper zum Zittern bringen. Dafür führen sie eine Reihe von Körperübungen aus, die das Zittern hervorrufen sollen. Die Übungen sind auch als "Tension and Trauma Releasing Exercises" bekannt, kurz: TRE.
TRE-Technik: Die Idee dahinter
Die Methode hat der Sozialarbeiter David Berceli entwickelt, nachdem er in Krisengebieten unterwegs gewesen war und die Menschen dort in extremen Stresssituationen beobachtet hatte. Dabei soll ihm unter anderem aufgefallen sein, dass bei einigen ein unkontrolliertes Zittern eingesetzt habe, nachdem sie eine bedrohliche Situation erlebt hatten.
Erwachsene sollen diesen Zitterimpuls aber häufig unterdrücken beziehungsweise verlernt haben. Die Idee hinter der TRE-Technik ist, die so angesammelte Anspannung im Körper aktiv zu lösen.
Mit den vorbereitenden Übungen werden dafür bestimmte Muskelgruppen gedehnt und angespannt. Zu Beginn werden zum Beispiel die Fuß- und dann die Beinmuskeln aktiviert. Später verlagert sich der Fokus der Übungen auf das Becken und die Beine, die auf dem Rücken liegend gedehnt werden. Ziel ist es, am Ende der Übungsreihe das Zittern auszulösen.
TRE: Vielversprechend, aber kaum Studien
Deutschlandfunk-Nova-Reporterin Julia Demann hat die Methode ausprobiert und am Ende tatsächlich unwillkürliche Bewegungen bei sich beobachtet. "Ich habe mich aber gefragt, ob das wirklich meine Psyche ist, die Spannung loslässt, oder einfach Muskelermüdung", sagt sie.
"TRE, also Trauma Releasing Exercises, ist vielversprechend, aber eben noch nicht Teil der evidenzbasierten klinischen Leitlinien."
Denn: Die Technik ist bisher nicht gut erforscht, sagt Psychiatrie-Professor Bernhard Baune. Er leitet die Klinik für psychische Gesundheit am Uniklinikum Münster. Das schließe aber nicht aus, dass die Methode funktionieren kann.
"Das unwillkürliche Zittern über das TRE kann entsprechend regulierend auf diesen Körperteil oder auf die Körpersymptome einwirken und sekundär auch auf den emotionalen Teil. Das ersetzt zwar keine Traumatherapie, es ist auch keine anerkannte Methode in dem Sinne, kann aber durchaus hilfreich sein", erklärt er.
Als eine Art Selbstheilungsmethode für Trauma-Betroffene sollte die Technik allerdings nicht verstanden werden, sagt Ulrike Schultheis. Sie ist Chefärztin für psychosomatische Medizin und Psychotraumatologie am Klinikum Köln-Merheim. Dafür fehle die Einbettung und Unterstützung von Betroffenen. Sie sollten bei der Aufarbeitung einer traumatischen Erfahrung nicht allein sein.
Wichtiger Hinweis
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