Schiedsrichtermangel im AmateurbereichWarum kaum noch jemand Fußballspiele pfeifen will

Die Zahl der Schiedsrichter*innen im Amateuerbereich ist laut dem Deutschen Fußball-Bund "extrem rückläufig". Viele haben keine Lust mehr auf den Job, weil es ihnen keinen Spaß macht, beleidigt, beschimpft oder sogar gewalttätig angegriffen zu werden.

Neben allgemeinen Nachwuchssorgen kämpft der Deutsche Fußball-Bund (DFB) auch gegen die zunehmende Zahl von Spielabbrüchen aufgrund von Gewalt gegen Schiedsrichter. Um Werbung für das Amt zu machen und etwas gegen den Unparteiischen-Schwund im Amateurbereich zu tun, hat der DFB ein "Jahr der Schiris" ausgerufen.

Als PR-Aktion haben gerade zwei Bundesliga-Profis (temporär) die Seiten gewechselt: Anton Stach vom FSV Mainz 05 und Nils Petersen vom SC Freiburg haben am 25. März im rheinhessischen Nierstein als Referee eine Bezirksliga-Partie geleitet. Bundesliga-Schiedsrichter Deniz Aytekin hat das Duo per Headset von der Seitenlinie aus unterstützt.

"Es fehlt an Wertschätzung und an Respekt für die Schiedsrichter. Das ist aktuell der Hauptgrund."
Alex Feuerherdt, seit 2007 Schiedsrichter-Lehrwart in Köln

Immer häufiger würde den Schiedsrichtern nicht mehr die nötige Wertschätzung und der nötige Respekt entgegengebracht, sagt Alex Feuerherdt, seit 2007 Schiedsrichter-Lehrwart in Köln. Eine aktuelle Umfrage, die der DFB unter Unparteiischen durchgeführt hat, offenbart:

  • 85 Prozent der befragten Schiris vermissen den Respekt und die Anerkennung der Zuschauer.
  • 79 Prozent vermissen den Respekt von Spielern und Trainern.
  • Nur 30 Prozent der Befragten sagen: Wir halten Gewalt für ein Problem, aber wir lassen uns davon nicht den Spaß an der Sache vermiesen.

Die Zahl der Respektlosigkeiten ist groß: ständiges Gemecker und Abwinken von Entscheidungen, Reinrufen von draußen, Anlaufen des Schiedsrichters, Beleidigungen – oder eben auch ganz bewusste tätliche Angriffe.

"Laut DFB hat es in der Saison 2021/2022 im Amateurbereich 911 Spielabbrüche gegeben – das ist der bisherige Höchststand."
Alex Feuerherdt, Schiedsrichter-Lehrwart

Laut dem "Lagebericht Amateurfußball" des DFB für die Saison 2021/2022 hat es 911 Spielabbrüche gegeben – das ist der bisherige Höchststand. Etwa die Hälfte der Spiele wurde wegen Angriffen gegen Schiedsrichter abgebrochen. Außerdem gab es 2499 Gewalt- und Diskriminierungsvorfälle gegen Unparteiische, die nicht jedes Mal zum Spielabbruch geführt haben.

Probleme auf und neben dem Platz

Die Schiedsrichter, die Amateurspiele pfeifen, hätten aber nicht nur auf dem Platz mit Gegenwind zu kämpfen, sondern auch daneben: Sie kämen häufig auf der Sportanlage an, ohne dass ein Schiedsrichterbetreuer vor Ort ist, der sich um sie kümmert. Die - oft dreckige - Umkleidekabine müssten sie sich dann selbst suchen. Sie bekämen kein Wasser angeboten und nach der Partie müssten sie dann oft auch noch dem Spielbericht nachlaufen.

Um an dieser sehr unbefriedigenden Situation etwas zu ändern, sind in allererster Linie die Vereine in der Pflicht, findet Alex Feuerherdt. Für das Schiri-Amt zu werben und nachhaltig etwas an dieser Situation zu ändern, müsse Hand in Hand gehen. Um eine ganz neue Wertschätzungskultur zu schaffen, würden deutschlandweit Gespräche mit den Vereinen geführt, in denen wesentliche Punkte besprochen würden:

  • Sagt euren Spielern, was eigentlich Respekt und Anerkennung bedeuten.
  • Macht mit ihnen auch ein bisschen Regelkunde – wenn sie besser Bescheid wissen, protestieren sie vielleicht auch weniger.
  • Alle Vereine sollten eine(n) Schiedsrichter-Betreuer*in stellen – eine Person, die ehrenamtlich am Spieltag nur für die Unparteiischen da ist und sich um sie kümmert.
  • Auf Dinge achten, die eigentlich selbstverständlich sein sollten, etwa Kabine aufräumen und Spielbericht abgeben.
"Es ist jetzt nicht so, dass man in Lebensgefahr ist, sobald man den Platz betritt. Es macht wahnsinnig viel Spaß!"
Alex Feuerherdt, Schiedsrichter-Lehrwart

Wenn man den Platz betrete, sei man jetzt nicht in akuter Lebensgefahr, so der Schiri-Ausbilder. Das sei übertrieben. Der Job mache wahnsinnig viel Spaß, sei wichtig und gut für die Persönlichkeitsentwicklung.

"Wenn ich vom Platz gegangen bin, hat natürlich niemand die 'La Ola' gemacht – und kein Reporter hat gesagt, wie geil das denn jetzt bitte war, den Elfmeter in der allerletzten Minute zu geben", erzählt Alex Feuerherdt. "Wenn aber zum Beispiel die Verlierer nach dem Spiel kommen und sagen 'Hey Schiri, gut gepfiffen, an dir hat es nicht gelegen', dann ist das eine schöne Form der Anerkennung."

"Es ist nicht alles schlecht"

Man könne also sehr wohl weiterhin guten Gewissens für das Schiri-Amt werben. Mit Erfolg: Im Fußballkreis Köln habe es Anfang 2023 etwa 66 Anwärter*innen gegeben, auch das sei ein neuer Höchststand. Es sei also bestimmt "nicht alles schlecht" – leider sprängen aber häufig zu viele schon wieder im ersten Jahr ab. Genau dort müsse man ansetzen.