Verhütung65 Jahre Pille für die Frau - wann kommt die Pille für den Mann?

Sex ja, Verantwortung bitte fair. Warum sind Frauen immer noch fast komplett allein für die Verhütung verantwortlich – und woran hakt’s bei den Lösungen für Männer?

Warum sollen Frauen allein für die Verhütung verantwortlich sein? Warum gibt es nicht längst gleichberechtigte Verhütungsmittel? Und warum gibt es keine Verhütungsmittel, die den Körper nur wenig belasten – unabhängig davon, ob sie für gebärfähige oder zeugungsfähige Menschen entwickelt werden? Diese Fragen haben sich Jana Pfenning und Rita Maglio gestellt und den Verein "Better Birth Control" gegründet. Die beiden starteten 2021 die Petition "Verhütung für alle besser machen". Das ist auch das Ziel des Vereins.

"Verhütung muss endlich gleichberechtigt möglich sein."
Jana Pfenning, Better Birth Control

Zu einer besseren Verhütung gehört für Jana Pfenning, dass zwischen Männern und Frauen diese Verantwortung gleichberechtigt aufgeteilt werden kann. Doch noch fehlt es an entsprechenden Verhütungsmitteln für den Mann, der bislang nur auf Kondome und Vasektomie zurückgreifen kann. Deshalb setzt sich ihr Verein auch für die Erforschung von Verhütungsmitteln für den Mann ein.

Bessere Verhütung heißt für Jana auch, dass die Medikamente möglichst keine Nebenwirkungen haben. Außerdem sollten Verhütungsmittel kostenlos sein, damit sie für alle zugänglich sind.

Frauen verhüten und plagen sich mit den Nebenwirkungen

Wie kommt es, dass bis zu ihrer Petition eine faire Verhütung kaum diskutiert wurde? Startschuss bei Jana Pfenning war eine Diskussion in Brüssel. Sie arbeitete damals, Anfang 20, im Europäischen Parlament. Mit anderen jungen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Parlaments stellte sie fest, dass Verhütung extrem ungerecht ist.

Ihre Kolleginnen beschwerten sich, dass sie unter Nebenwirkungen der Verhütungsmittel leiden und die Kollegen beklagten, dass sie ihre Partnerinnen nicht ausreichend bei der Verhütung unterstützen können.

Lobby für faire Verhütung

Die meisten Parlamentarier*innen dagegen sind um die 50 Jahre alt und beschäftigen sich persönlich nicht mehr mit Verhütung. Deshalb hat Jana Pfenning mit dem Verein begonnen, politische Lobbyarbeit für das Thema faire Verhütung zu machen. "So haben wir es geschafft, dass jetzt die Bundesregierung 12 Millionen Euro in Verhütungsmittelforschung investiert", sagt Jana Pfenning. Daher wird jetzt in Münster, München und in Bonn an Verhütungsmitteln für den Mann geforscht. Aber das reiche noch nicht aus, es müsse mehr Geld in die Forschung für klinische Studien fließen, kritisiert Jana.

"Es geht darum, nebenwirkungsarme Verhütungsmittel für alle Geschlechter zu entwickeln."
Jana Pfenning, Better Birth Control

Obwohl die Pille schon 65 Jahre alt ist, hat sie immer noch Nebenwirkungen wie Hautbeeinträchtigungen, Gewichtszunahme, Nachtschweiß, aber auch Thrombose, Herzinfarkt oder Bluthochdruck, listet Wissenschaftsjournalistin Daniela Remus auf. In den USA haben Frauen vor über zehn Jahren mit einer Sammelklage erfolgreich den Pharmahersteller Bayer verklagt, weil durch die Hormone in der Pille Blutgerinnsel aufgetreten sind.

Inzwischen ist die Hormonkonzentration in der Pille deutlich verringert worden, doch noch immer hat sie Nebenwirkungen. Auf Social Media kommt die Pille bei Influencerinnen gerade besonders schlecht weg. Darunter sei aber auch viel Falschinformation, sagt Daniela Remus.

Pille für den Mann mit Nebenwirkungen

Bei der Pille für den Mann gab es 2008 sogar eine Studie der Weltgesundheitsorganisation. Das Hormonpräparat bewirkte bei 97 Prozent der Männer, dass sie keine Spermien mehr gebildet haben. Aber 10 Prozent der Männer hatten unter Nebenwirkungen zu leiden wie Gewichtszunahme oder depressive Verstimmungen. Diese Beschwerden traten allerdings regional auf. In manchen Ländern erlebten die Männer gar keine Nebenwirkungen. Trotzdem hieß es 2011, dass 10 Prozent zu viele Männer seien, die unter Nebenwirkungen leiden müssten. Deshalb wurde diese Forschung abgebrochen.

Eine nebenwirkungsarme Verhütungsmethode bei Männern könnte die Wärmebehandlung sein. Noch wird daran getestet, Spermien in den Hoden durch Temperatur zu beeinflussen. Spermien sind bei höheren Temperaturen träge und somit weniger erfolgreich bei der Verschmelzung mit einer Eizelle.

Forschung arbeitet weiter an Pille für den Mann

Es gibt noch eine Pille für den Mann, bei der die Forschenden in Münster, München und Bonn nicht Hormone, sondern chemische Wirkstoffe einsetzen. Diese Forschung könnte demnächst vom Bundesforschungsministerium unterstützt werden. Und damit wären wir einer geschlechtergerechten und nebenwirkungsarmen Verhütung einen Schritt näher.