• Deutschlandfunk App
  • ARD Audiothek
  • Spotify
  • Apple Podcasts
  • Abonnieren

Im Sudan spielt sich die größte humanitäre Krise der Welt ab: 30 Millionen Menschen brauchen Hilfe, Millionen fliehen, ganze Städte werden ausgelöscht – und kaum jemand bekommt es mit. Warum? Und was bedeutet das für die Menschen dort?

Als der Krieg begann, trauten sich Leila und ihre Familie nicht vor die Tür. Drei Tage lang blieben sie zu Hause, verzichteten sogar darauf, Essen zu holen. Denn auf den Straßen ihrer Stadt Khartum war es zu gefährlich – vor allem für Mädchen und Frauen.

"Der Vater hatte Angst, seine Tochter allein auf den Markt zu schicken, weil Männer sie entführen und zwangsverheiraten könnten."
Katharina Kiecol, Malteser International

Das berichtet Katharina Kiecol. Sie ist als Pressereferentin bei Malteser International und seit Anfang Dezember 2025 rund eine Woche im Sudan unterwegs. Ihr Ziel: Die mediale Aufmerksamkeit auf ein Land und vor allem seine Bevölkerung richten, das dringend auf Hilfe und finanzielle Unterstützung angewiesen ist.

Ein Land auf der Flucht

"Ich glaube, dass Menschen so eine Krise besser verstehen, wenn sie die Gesichter hinter den Zahlen kennenlernen", sagt Katharina Kiecol. Also reist sie durchs Land, spricht mit Betroffenen und erzählt von den grauenhaften und traumatischen Erlebnissen, die die Menschen ihr anvertraut haben.

Als wir von Deutschlandfunk Nova mit ihr sprechen, hält sich Katharina Kiecol gerade im Port Sudan auf. Die Hafenstadt am Roten Meer gilt bis jetzt als "sicher im Vergleich zum Rest des Landes", erzählt sie. Hierher konnte auch Leila fliehen. Katharina und Leila lernten sich im Krankenhaus kennen, als Leila an einem Erste-Hilfe-Kurs teilnahm, den die Malteser organisierten.

"Das Personal, das noch da ist, wird notdürftig geschult, um überhaupt lebensrettende Hilfe leisten zu können."
Katharina Kiecol, Malteser International

Die Hilfsorganisation versucht medizinisches Wissen weiterzugeben, denn die Lage und medizinische Versorgung sind verheerend, berichtet Katharina Kiecol. Port Sudan sei überfüllt. Tausende Menschen kommen hier an – traumatisiert, verletzt, ausgehungert. "Das Gesundheitssystem ist quasi zusammengebrochen." Im Land breiten sich Cholera und Malaria aus. Fast die Hälfte der Bevölkerung sei von der Hungersnot betroffen.

Warum der Krieg im Sudan so brutal ist

Der Konflikt im Sudan begann 2019 mit dem Fall der Diktatur von Omar al-Baschir. Gestürzt wurde er von der sudanesischen Armee und der paramilitärischen Gruppe Rapid Support Forces (auch RSF-Miliz genannt). Es folgte ein Machtkampf zwischen beiden Gruppierungen – 2023 schlug er in einen offenen Krieg um.

So fasst Moritz Behrendt die Entwicklung der vergangenen Jahre zusammen. Er ist ARD-Korrespondent mit Sitz in Kairo in Ägypten und berichtet unter anderem über den Sudan.

"Beide Seiten kämpfen um die Macht im Land und um Bodenschätze.“
Moritz Behrendt, ARD-Korrespondent

Nach Einschätzung des Journalisten ist der Krieg auch deswegen so grausam für die Zivilbevölkerung, weil der Sudan mit Waffen geradezu "überschwemmt" sei – darunter Kleinwaffen und Gewehre genauso wie größeres Kriegsgerät und Drohnen. Zudem würden ethnische Spannungen gezielt angeheizt.

Warum die Welt wegschaut

Besonders schlimm ist die Lage in Al-Faschir in der Region Darfur, sagt Moritz Behrendt. Die Stadt wurde von der RSF eingenommen. Doch was dort passiert, sei kaum überprüfbar. Und das ist ein großes Problem für die journalistische Berichterstattung und möglicherweise ein Grund, warum wir in Europa und Deutschland so
wenig von dem Krieg und dem Leid der Menschen hören, erläutert der Journalist.

Vor Ort gibt es keine unabhängigen oder internationalen Journalisten. "Natürlich können wir trotzdem mit Menschen aus dem Sudan sprechen, zum Beispiel mit denen, die nach Ägypten geflohen sind", erklärt der Korrespondent. Aber es sei natürlich etwas anderes, im Land umherzureisen und sich selbst einen Eindruck machen zu können.

Die Erzählung "Gut gegen Böse" funktioniert im Sudan nicht

Hinzu kommt eine mediale Logik, erklärt Moritz Behrendt: Konflikte lassen sich am einfachsten in "Gut gegen Böse" erzählen. Im Sudan funktioniere das aber nicht. "Hier sind es zwei verbrecherische Seiten, die gegeneinander kämpfen. Das passt nicht in einfache Erzählmuster."

Und noch etwas spielt seiner Einschätzung nach eine Rolle: Die meisten der über 13 Millionen Geflüchteten sind im Land selbst oder in Nachbarstaaten untergekommen – und damit weit weg von Europa.

"Wir haben noch keine große Flüchtlingsbewegung aus dem Sudan nach Europa erlebt. Wenn das der Fall wäre, würde es die Aufmerksamkeit in Deutschland und Europa natürlich deutlich erhöhen."
Moritz Behrendt, ARD-Korrespondent

Katharina Kiecol von Malteser International hofft durch ihre Berichte und Interviews dazu beizutragen, dass das Leid und vor allem der Bedarf nach Hilfe – insbesondere nach finanzieller Unterstützung – gesehen wird. "Wir brauchen natürlich dringend Spenden, um weiter Hilfe leisten zu können."

Der Sudan ist auf internationale Hilfe angewiesen

Hilfsorganisationen weltweit stehen finanziell unter Druck, vor allem seit US-Präsident Donald Trump die Entwicklungshilfeagentur USAID auflösen ließ. Doch auch andere Länder, darunter Deutschland, stellen weniger Geld bereit. Die Bundesregierung hat in diesem Jahr die Summe für Nothilfen im Vergleich zu 2024 halbiert. Und für 2026 ist keine Erhöhung geplant.

"Die Menschen im Sudan brauchen alles, wirklich buchstäblich alles."
Katharina Kiecol, Malteser International

"Die Menschen im Sudan brauchen alles, wirklich buchstäblich alles", betont Katharina Kiecol. Deshalb, versichert sie, werden die Malteser ihre Hilfe weiter ausweiten. Und Leila, die Katharina Kiecol im Port Sudan getroffen hat, will auf ihre Weise einen Beitrag leisten: Sie will Krankenschwester werden und den Menschen in ihrem Land helfen. Der Erste-Hilfe-Kurs war ein erster Schritt dahin.

Ihr habt Anregungen, Wünsche, Themenideen? Dann schreibt uns an unboxingnews@deutschlandradio.de

Shownotes
Hilfe gesucht
Sudan – die größte Krise der Welt
vom 04. Dezember 2025
Moderation: 
Ilka Knigge
Gesprächspartnerin: 
Katharina Kiecol, Malteser International
Gesprächspartner: 
Moritz Behrendt, ARD-Korrespondent in Kairo