Das UK verbietet Würgen (Choking) in Pornos, weil immer mehr Menschen es im echten Leben nachmachen, ohne die Risiken zu kennen – Bewusstlosigkeit, Hirnschäden, Schlaganfälle. Ist das Verbot nötig oder übertrieben? Und was heißt es für Pornhub & Co.?
Die Hand geht an den Hals. Und es wird zugedrückt – mal nur ganz leicht, mal so fest, dass es gefährlich aussieht. Eine beliebte Rubrik auf Porno-Streaming-Plattformen. Meist werden Männer gezeigt, die Frauen würgen.
Choking ist gängige Porno-Praxis
Doch "Choking Porn" ist mehr als nur die eine Szene, in der eine Person beim Sex die Hand an den Hals einer anderen legt und leicht zudrückt. Dazu gehört zum Beispiel auch:
- Ein um den Hals gelegter Gürtel wird zugezogen und das Gesicht der Person scheint sich leicht bläulich zu färben.
- Es wird gezeigt, wie jemand durch das Würgen das Bewusstsein verliert.
Mit einem neuen Gesetz nimmt die britische Regierung jetzt nicht nur die Urheber solcher Videos in die Pflicht, sondern auch die Porno-Plattformen: Pornografische Darstellungen von Würgen oder Die-Luft-Abdrücken zu besitzen oder zu verbreiten, gilt künftig als Straftat. Die Plattformen müssen dafür sorgen, dass entsprechende Inhalte gelöscht werden.
"Das Würgen wird jetzt als priority offence eingestuft. Es steht jetzt auf einer Stufe mit terroristischen Bildern oder Sex mit Minderjährigen."
Die Regierung rechtfertigt ihren Vorstoß damit, vor allem Frauen und Mädchen besser schützen zu wollen – ein Ziel, das sich die Regierung ohnehin für die kommenden zehn Jahre vorgenommen hat.
Das Problem: Gerade junge Menschen sehen das Würgen in Pornos und übernehmen das dann in ihr eigenes Sexleben. Manchen, die diese Sexpraktik anwenden, sind sich der Risiken nicht bewusst.
Fehlendes Risikobewußtsein
Oft braucht es nur den Druck, den wir aufwenden, um eine Getränkedose zu öffnen, um jemanden massiv zu würgen. Und sobald die Luftzufuhr oder der Blutfluss zum Gehirn gemindert wird, kann es gefährlich oder gar lebensgefährlich werden.
"Die Wissenschaft ist sich weitestgehend einig, dass es keine sichere Variante gibt, jemanden zu würgen."
Falsch praktiziert, kann das Würgen gesundheitliche Schäden hervorrufen, die sich entweder sofort oder erst Wochen oder Monate später zeigen. Die britischen Politiker*innen, die sich für dieses Gesetz einsetzen, sind sich sicher, dass es keine sichere Art des Würgens gibt.
Zur Grundlage des neuen Gesetzes legt die britische Regierung den Bericht der Independent Pornography Review vor. Das ist eine Regierungskommission, die sich mit den Auswirkungen von Pornografie auf Einzelpersonen und die Gesellschaft beschäftigt.
Fast 40 Prozent der befragten Frauen in Großbritannien gab an, beim Sex bereits gewürgt worden zu sein. Und die Zahlen steigen. Auch in anderen Ländern wie beispielsweise Australien gibt es Studien mit ähnlichen Ergebnissen.
"Manche Menschen haben – unabhängig vom Geschlecht – das Gefühl, dass sie so etwas tun müssen, weil sie sonst als langweilig gelten."
Die britische Regierung argumentiert, ausgehend von den Ergebnissen des Berichts, dass Würgen in Pornos zunehmend als normale Sexpraktik dargestellt wird. Dadurch nehmen auch jüngere Menschen es als gängige Sexpraktik wahr und nicht als eine sexuelle Fantasie, die in Pornos von erfahrenen Menschen inszeniert wird.
Das fördert falsche Erwartungen einerseits und erhöht andererseits den Druck auf diejenigen, die denken, dass Würgen zulassen müssen, damit sie nicht als langweilig gelten, sagt die Sexforscherin Debby Herbenick.
Würgen kann zu Schlaganfällen führen
Wer tatsächlich würgt oder sich würgen lässt, geht mitunter ein hohes Risiko ein – für sich oder für andere.
“Würgen ist laut Studien mittlerweile der zweithäufigste Grund, warum Frauen einen Schlaganfall kriegen.”
Würgen kann zu Schluckbeschwerden, Ohnmacht, Krampfanfällen, Depressionen, Angstzuständen oder sogar Schlaganfällen führen, erklärt Deutschlandfunk-Nova-Reporterin Annika Witzel.
Ist ein Würge-Verbot in Pornos der richtige Weg?
Pornoproduzentin, Regisseurin und Performerin Paulita Pappel und die Kulturwissenschaftlerin Madita Oeming sind sich in vielen Punkten einig, was das neue britische Gesetz angeht: Aufklärung wäre aus ihrer Sicht deutlich besser als ein grundlegendes Verbot.
Beide Pornografie-Expertinnen sprechen auch über den Unterschied zwischen Choking und Breath-Play, den viele nicht kennen, die mit diesen Sexualpraktiken nicht vertraut sind.
"Es ist ein weiterer Schritt, der eher Zensur statt Aufklärung fördert."
Was in BDSM-Pornos gezeigt werde, sei "oft kein Würgen, das tatsächlich die Luftröhre zudrückt", sagt Madita Oeming. "Es ist ein Power-Choke – ich demonstriere Macht, aber drücke nicht zu – oder ein sogenannter Blood-Choke, ohne die Luftzufuhr zu beeinträchtigen."
"Es gibt ein grundlegendes Missverständnis – ganz oft wird eine Hand auf die Brust oder den Hals gesetzt, dabei geht es nicht um Würgen, sondern um sogenanntes Breath-Play."
Um den Unterschied zwischen Breath-Play und Würgen verstehen zu können, brauchen die Leute viel mehr Informationen, sagt Paulita Pappel, die auch als Intimitätskoordinatorin bei Filmproduktionen tätig ist.
Ihre eigenen Pornodrehs organisiert sie so, dass sie mit den Darstellenden über deren Vorlieben spricht und die Grenzen bereits vor dem Dreh abklärt und absteckt.
Die Produzentin hält einen sexpositiven Umgang mit Themen wie Choking für notwendig und plädiert für bessere Aufklärung. Sexuelle Selbstbestimmung und Safe Spaces, um Fantasien sicher ausleben zu können, hält sie für einen wichtigen Teil des menschlichen Lebens.
Sexuelle Freiheit kann nur dann gewährleistet werden, sagt die Produzentin und Regisseurin, wenn wir aufgeklärt werden und in einer sexpositiven Gesellschaft leben.
"Was im BDSM praktiziert wird, ist oft kein Würgen, das tatsächlich die Luftröhre zudrückt. Es ist ein Power-Choke, ich demonstriere Macht."
Madita Oeming plädiert auch für eine viel frühere Aufklärung von Kindern – und zwar sobald diese beginnen, sich im Internet zu bewegen, also ungefähr im Alter von zehn Jahren. Statt einer Medienregulation oder -zensur hält sie die Förderung von Medienkompetenz für deutlich wichtiger. Diese sollte dann altersgerecht und wertfrei erfolgen, so die Kulturwissenschaftlerin.
Die Hintergründe zu diesem neuen britischen Gesetz und die ausführlichen Interviews zum Thema "Choking-Porn" mit den Expertinnen könnt ihr hören, wenn ihr den Play-Button weiter oben auf dieser Seite im Banner anklickt.
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