Jahrelang gehörte Crystal Meth für Sebastian Caspar zum Leben dazu. Konzerte und Sex auf Drogen. Anschließend Cannabis oder Beruhigungsmittel, um "runterzukommen". Am Ende hatte er als junger Mensch Herz-Rhythmus-Störungen und war ziemlich einsam. Er erzählt von seiner Sucht, wie er es geschafft hat, clean zu werden, und wie er heute als Sozialarbeiter über Drogen aufklärt.

Sebastian Caspar ist 1979 in der damaligen DDR geboren. Zunächst läuft alles recht behütet ab. Aber dann passieren Dinge, die ihn psychisch aus der Bahn werfen: Als er zehn Jahre alt ist, lassen sich seine Eltern scheiden. Und mit 15, als er zum ersten Mal in die Disco einer Kleinstadt geht, werden er uns sein Kumpel von einer Gruppe Neonazis verprügelt – bis zur Bewusstlosigkeit.

"Die psychischen Schäden bei so einem körperlichen Übergriff sind massiver als die körperlichen."
Sebastian Caspar, Ex-Junkie

Kurz nach dem Abitur fängt er an, täglich Cannabis zu konsumieren. Es folgen innerhalb eines Jahres Amphetamine, Speed, Pep, Ecstasy, Kokain und schließlich Crystal Meth. Warum er damit angefangen habe? Eine naheliegende Ursache sei einfach die geografische Nähe zur Grenze nach Tschechien gewesen, sagt Sebastian. Lange Zeit war Tschechien ein Hauptproduzent von Crystal Meth. Außerdem habe er in einer Band gespielt. Das Ganze sei auch so ein "Cliquen-Ding" gewesen, sagt Sebastian heute.

"Meine Sucht war immer gegen mich gerichtet."
Sebastian Caspar, Ex-Junkie

Crystal Meth wirkt ähnlich aufputschend wie Kokain – allerdings halte die Wirkung der gleichen Menge viel länger an. Manchmal über Tage. Darum sei die Droge beliebt bei Menschen, die nicht so viel Geld haben. "Crystal ist das Kokain des armen Mannes", sagt Sebastian.

Die Droge habe ihn am Anfang zu der Person gemacht, die er immer sein wollte: Er habe Musik gemacht und auch sein Roman "Zone C" sei zu großen Teilen im Crystal-Rausch entstanden. "Du bist hellwach, wie ein neuer Mensch, du schläfst nicht, du kennst keinen Hunger", sagt Sebastian Caspar. Das Problem sei aber, dass er zum Beispiel in seiner Drogenzeit niemals in der Lage gewesen wäre, den Roman zu ordnen und die Organisation auf die Reihe zu bekommen, um ihn zu veröffentlichen. Außerdem habe ihn die Droge körperlich wie psychisch ziemlich kaputt gemacht.

Porträt von Sebastian Caspar, im Hintergrund eine Plattenbau-Siedlung.
© Björn Wilda
Sebastian Caspar hat es geschafft, aus der Drogensucht rauszukommen. Über diese Zeit erzählt sein Roman "Zone C".
"Crystal passt super in unsere Leistungsgesellschaft."
Sebastian Caspar, Ex-Junkie

Sebastian Caspar sagt, dass Crystal Meth gut zu unserer Gesellschaft passe, in der es darum gehe, möglichst viel zu arbeiten und zu leisten. Einem Arbeitgeber sei es am Ende völlig egal, wie es Angestellte eigentlich schaffen können, 70 Stunden pro Woche zu arbeiten, sagt Sebastian. Dass das manchmal nur mithilfe von Drogen gelinge – darüber würde wenig nachgedacht.

EU-Osterweiterung und die Ausbreitung der Droge

Seit 2007 – der EU-Osterweiterung – gebe es keine Grenzkontrollen mehr im Osten von Deutschland. Sebastian weiß aus Gesprächen mit der Polizei, dass seitdem extrem viel Crystal Meth ungehindert nach Deutschland komme: "Es ist ja wirklich lange unterm Radar gelaufen und hat Zeit gehabt, sich ungehindert auszubreiten." Inzwischen sei die Droge überall in Deutschland verbreitet.

Wenn ihr wissen wollt, was Sebastian Caspar über die Serie "Breaking Bad" denkt, warum der Entzug sehr schwer fällt – und oft nur mithilfe anderer Drogen gelingt. Oder warum er heute den Sex auf Crystal Meth bereut – dann hört euch das komplette Audio an.

Hinweis: Crystal Meth und andere Drogen können ernstzunehmende Folgen auf Körper und Psyche haben. Wer glaubt unter einer Sucht zu leiden, kann sich zum Beispiel bei der Suchtprävention Berlin melden.

Shownotes
Ex-Junkie Sebastian Caspar
"Crystal Meth ist das Kokain des armen Mannes"
vom 17. Januar 2021
Moderator: 
Sebastian Sonntag
Gesprächspartner: 
Ex-Junkie Sebastian Caspar