Drogenepidemie in den USAOpioidkrise: Pharmafirma Purdue kassiert doppelt ab

Die Pharmafirma Purdue macht nicht nur riesige Gewinne mit dem Opioid Oxycontin, sondern hat sich auch das Entzugsmittel dafür patentieren lassen.

Die USA werden von einer Drogenepidemie erfasst, wie es sie noch nie gegeben hat. Allein 2016 starben 42.000 Menschen an einer Überdosis des Schmerzmittels Oxycontin. Oxycontin ist ein Opioid. Opioide kommen natürlich vor wie in Heroin oder werden synthetisch hergestellt. Sie sollen Schmerzen lindern, indem sie bestimmte Gehirnregionen beeinflussen. Oxycontin wird von der Pharmafirma Purdue hergestellt, die der Unternehmerfamilie Sackler gehört – eine der größten Kunstmäzene weltweit. 

Erst Herstellung der Droge Oxycontin - dann des Entzugsmittels

Was die Öffentlichkeit jetzt auf die Barrikaden bringt: Purdue hat Riesengewinne mit dem Schmerzmittel eingefahren und sich mit dem Patent für das Entzugsmittel für Oxycontin gleich einen zweiten Markt geschaffen, sagt die Journalistin Katja Ridderbusch. Sie lebt in den USA und verfolgt seit Längerem die Opioidkrise in den USA. Das Entzugsmittel kann auch bei der Drogenersatztherapie wie beispielsweise Methadon eingesetzt werden.

"Zugespitzt gesagt: Das Unternehmen hat zuerst die Drogenepidemie befeuert und profitiert jetzt von deren Folgen."
Katja Ridderbusch, Journalistin

Purdue entwickelte in den 1990er Jahren das Opioid Oxycontin, das auch in Deutschland erhältlich ist. Dieses Schmerzmittel hat einen reißenden Absatz und in der Pharmabranche schätzt man den jährlichen Umsatz auf über eine Milliarde Dollar. Das Handelsblatt bezieht sich auf die Schätzungen des Börsenunternehmens Sanford Bernstein, das den jährlichen Umsatz mit Oxycontin auf 1,3 Milliarden US-Dollar schätzt. Zum Vergleich: 1996 waren es noch 42 Millionen US-Dollar jährlich. Andere Schätzungen gehen davon aus, dass Purdue seit der Zulassung 1996 insgesamt 35 Milliarden US-Dollar mit Oxycontin verdient hat.

Familienunternehmen häuft Vermögen an

Die Schlüsselfigur in dem Familienunternehmen ist Richard Sackler, sagt Katja Ridderbusch. Er ist der Sohn von Raymond Sackler, der einer der Firmengründer ist und langjähriger Präsident von Purdue war. Er ziehe die Fäden im Hintergrund, vermutet Katja.

Das Familienvermögen der Sacklers wird auf knapp 14 Milliarden US-Dollar geschätzt, wovon der Großteil sich aus den Gewinnen von Oxycontin speist. Bevor die Opioidkrise in der Öffentlichkeit diskutiert wurde, war die Familie vor allem als "Förderin der Künste" bekannt. In großen Museen der Welt gibt es eigens nach den Förderern benannte Abteilungen: im Metropolitan Museum in New York, im Louvre in Paris, in der Tate Modern in London und im Jüdischen Museum in Berlin, wo die bekannte "Sackler Treppe" den Museumsneubau mit dem Altbau verbindet.

Sackler sieht keine Mitverantwortung

Offiziell äußert sich die Sackler-Familie nicht zur Opioidkrise, sagt Katja. Die Familie sei auch sehr zurückhaltend in Bezug auf ihre Firma Purdue. Aus anonymen Aussagen im Umfeld Richard Sacklers, die in Zeitungsartikeln zitiert werden, schließt Katja, dass der Firmengründer jede Mitverantwortung an der Opioidkrise leugne.

Unterversorgung an Schmerzmitteln in den 1980ern

Pharmahersteller wie Purdue, die Opioide wie Oxycontin herstellen, sind nach Meinung von Katja zwar nicht allein für die Opioidkrise verantwortlich, tragen aber einen großen Anteil daran. Vorausgegangen sei ein Paradigmenwechsel in der Schmerztherapie. Mehrere Studien haben in den 1980ern dargestellt, dass Schmerzpatienten unterversorgt seien. Deshalb rückten die US-Gesundheitsbehörden das Thema Schmerz stärker ins Blickfeld. In der Folge haben Ärzte Opioide freizügiger verschrieben und Patienten haben diese auch selbstbewusster eingefordert. Das sei die Grundlage für den Erfolg für Oxycontin gewesen, sagt Katja.

Das Opioidproblem gibt es aber nicht nur in den USA. In Deutschland hat sich die Zahl der Verordnungen von opioidhaltigen Schmerzmitteln verdreifacht.

"Opioide sind ein Problem, aber in Deutschland würde man noch nicht von einer Epidemie sprechen."
Katja Ridderbusch

Eine Entwicklung wie in den USA sei für Deutschland nicht zu befürchten, denn in den USA begünstigten Faktoren wie das Gesundheitswesen die Krise, analysiert Katja. Das Gesundheitssystem sei in den USA marktwirtschaftlich orientiert und eine direkte Werbung auch für verschreibungspflichtige Medikamente, sogar für Betäubungsmittel, sei zulässig, sagt Katja. 

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